Alasea 03 - Das Buch der Rache
spürte Elena einen Hieb, und wieder starrte sie auf eine leere Hand.
»Kind«, rief die Tante in einem Tonfall, der beinahe an Wut grenzte, »wenn du deine Aufmerksamkeit nicht der Stunde widmest, kann ich mein Pferd auch gleich für die Reise nach Port Raul satteln.«
»Es tut mir Leid, Tante Mi.« Erneut hob sie ihr zu Boden gefallenes Schwert auf.
»Die Magik ist unberechenbar, Elena, aber ein gut geöltes Schwert wird immer eine Schneide haben, wenn du sie brauchst. Vergiss das nicht. Du musst beides beherrschen. Wenn du der Magik und der Schwertkunst mächtig bist, bist du selbst eine Waffe mit zwei Schneiden. Keiner wird dich so leicht aufhalten oder töten können. Denk daran, mein Kind: Wo die Magik scheitert, gewinnt das Schwert die Oberhand.«
»Ja, Tante Mi«, sagte Elena pflichtbewusst. Das hatte sie alles schon einmal gehört. Elena nahm das Schwert hoch und wischte alle Zweifel an Er’ril beiseite.
Mikela bewegte sich mit sicherem Schritt über den gestampften Lehmboden, das Schwert wie ein Spielzeug in der linken Hand. Das andere Schwert der Tante steckte noch in einer der zwei überkreuzten Scheiden auf ihrem Rücken. Wenn sie mit ihren beiden Schwertern bewaffnet war, konnte man Mikela nur noch als Dämon aus Stahl und Muskeln bezeichnen.
Allerdings stellte auch das eine Schwert der Tante schon eine ausreichende Bedrohung dar. Elena konnte den nun folgenden Scheinangriff kaum abwehren und parieren, und der zweite Schlag der Tante brachte sie vollends aus dem Gleichgewicht. Sie hielt sich nur mühsam aufrecht, aber sie war entschlossen, Mikela zu zeigen, dass die Unterrichtsstunden der letzten zwei Wochen nicht umsonst gewesen waren.
Die Tante setzte ihren wilden Angriff fort. Elena hievte ihr Schwert hoch, um den nächsten Schlag abzuwehren. Mikelas Klinge sirrte am Stahl der Waffe ihrer Schülerin entlang, um dann den Korb des Schwertes mit voller Wucht zu erschüttern. Jeder Knochen in Elenas Arm wurde von dem Schlag zum Beben gebracht, ihre Finger waren taub.
Elena sah, wie sich Mikelas Handgelenk blitzschnell drehte, um sie ein weiteres Mal zu entwaffnen. Sie unterdrückte ihre Enttäuschung und zwang die schwachen Finger, den Angriff der Tante gerade noch rechtzeitig abzuwehren, erwischte die Schneide von Mikelas Waffe dabei jedoch mit dem Daumen. Ein stechender Schmerz, wie von einem Wespenstich, durchdrang ihre Hand.
Aber Elena schenkte dem kleinen Schnitt keine Beachtung und hob das Schwert hoch, als Mikela vor dem nächsten Angriff einen Schritt zurücktrat. »Sehr gut, K…«, wollte Mikela sie gerade loben, als Elena nun selbst zum Angriff ansetzte und damit erstmals in die Offensive ging.
Elenas Blut kochte mit einem Mal vor Energie, die aus der Wunde sprudelte. Sie behielt ihre Magik unter Kontrolle und focht mit neuem Schwung. Wenn die Tante wollte, dass aus ihr ein Schwert mit zwei Schneiden wurde, bitte! Magik und Stahl vermischten sich nun in ihrem Blut.
Mikela prüfte Elenas neues Feuer einige Schläge lang. Ganz offensichtlich war sie überrascht angesichts der neuen Fähigkeiten und Kühnheit ihrer Schülerin. Dann bereitete die Meisterin dem ungestümen Angriff des Mädchens jedoch ein Ende und zwang sie zur Verteidigung.
Elena beantwortete jeden Schwertschlag mit einer ebenso harten Parade. Das Geklirr von Metall auf Metall hallte über die Klippen, und Elena spürte für einen Augenblick den wahren Rhythmus des Kampfes. Für einen kristallklaren Moment war nichts anderes auf dieser Welt von Bedeutung. Es war ein Kampf von vollkommener Klarheit, eine Komposition aus aufeinander abgestimmten Bewegungen. Und ihre wilde Magik untermalte dies alles mit ihrem Chorgesang.
Elena beendete den Kampf mit einer doppelten Finte und ließ die Schwertspitze sinken. Sie sah, wie ihre Tante zögerte und den Köder schluckte. Da drehte Elena blitzschnell das Handgelenk herum, schwang die Schwertspitze nach oben und blockierte somit die Klinge der Gegnerin am Korb. Sie bewegte nur noch einmal blitzschnell die Hand, und mit einem letzten Aufblitzen des Klingenstahls war der Kampf vorbei.
Eine schwertlose Hand ragte nun zwischen ihnen in die Luft
doch diesmal war es nicht Elenas Hand.
Mikela nahm den ausgestreckten Arm herunter und
schüttelte den Schmerz aus dem Handgelenk. Sie neigte den
Kopf kaum merklich. »Elena, dies war die vollkommenste
Vogelscheuchenfinte, deren Zeugin ich jemals werden durfte.
Selbst als ich erkannte, was du vorhattest, konnte ich nichts
mehr dagegen
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