Alasea 03 - Das Buch der Rache
der Stammessprache der Zo’ol.
Zusammen mit Xin lief Joach zum Bug.
An der Reling angekommen, erkannte Joach sofort den Grund für die Aufregung. Vor ihnen endete der von Bäumen gesäumte Kanal und gab den Weg frei aufs offene Wasser. Zuerst dachte Joach, dass das Schiff nun die gesamte Tanggegend durchquert hätte und dass es der Ozean wäre, der da vor ihnen lag. Doch seinen Irrtum bemerkte er rasch. Diese Wasser waren zu ruhig. Nicht eine Welle störte die spiegelglatte Wasseroberfläche. Als sie näher kamen, erspähte Joach im Nebel auf der anderen Seite des ruhigen Wassers wieder Wald.
Es war nicht der Ozean. Es handelte sich hier um einen See.
Während Joach auf den gegenüberliegenden Wald starrte, trieb die Bleicher Hengst auf den großen, blauen See hinaus. Bäume wuchsen überall um sie herum aus dem Nebel und kreisten das Schiff förmlich ein. Da der Kanal sich hinter ihnen schon geschlossen hatte, gab es keine Unterbrechung mehr in der geschlossenen Fläche aus Tang und Bäumen und somit auch keinen Ausweg mehr aus diesem See.
Joach spürte, dass sie das Herz des Sargassums erreicht hatten. Neben ihm bedeutete Xin seinen Stammesbrüdern, unter Deck zu laufen und die anderen zu holen.
Joach starrte hinauf zum Himmel. Nachdem sich die Sonne fast den ganzen Tag hinter den Bäumen versteckt hatte, schien sie nun umso heller. Joach fühlte sich plötzlich völlig schutzlos. Nervosität machte sich in seiner Brust breit.
»Da kommt etwas«, meinte Xin hinter ihm.
Joach stellte fest, dass auch Xin in den Himmel hinaufschaute. Joach folgte seinem Blick. Zuerst sah er nichts als dünne Wolken, die über sie hinwegjagten. Dann schien das grelle Sonnenlicht schwächer zu werden, und er erkannte einen kleinen dunklen Fleck vor den weißen Wolken.
Joachs Stab reagierte. Dunkelfeuer tanzte über das Holz. Aber Xin berührte seine Schulter und beruhigte ihn. »Ich fühle keine Bedrohung… nur… nur…« Der Seemann schüttelte den Kopf. »Es ist zu weit weg.«
Mittlerweile waren auch die anderen an Deck gekommen. Flint stürzte zu ihnen an die Reling, Elena an seiner Seite. Joach deutete auf das langsam kreisende Tier oben am Himmel. Dann schaute er zu Elena, und er sah den gleichen besorgten Ausdruck im Antlitz seiner Schwester, den vermutlich auch er im Gesicht trug.
Niemand sagte ein Wort.
Flint hob sein Fernrohr an die Augen und studierte den Eindringling. »Dank sei der Süßen Mutter«, stieß er erleichtert aus. »Es ist der Drache.« Er wandte sich an einen Zo’ol. »Zünde das Signalfeuer an. Lass sie wissen, dass wir es sind!«
Elena klammerte sich an Flints Hemdsärmel. »Ist es wirklich Ragnar’k?«
Flint lächelte. »Und Saag wan. Sie haben es geschafft.«
Obwohl auch er erleichtert war, konnte Joach das Unbehagen nicht einfach abschütteln. Während unter dem Jubel der anderen das Signalfeuer entzündet wurde, blieb Joach am Bugspriet stehen. Er starrte auf den Kreis aus Bäumen. Xin war nicht von seiner Seite gewichen.
Joach warf einen Blick zu dem Zo’ol Weisen. »Du fühlst es auch, nicht wahr?«
Xin nickte. »Viele Augen werden uns anstarren.«
Über ihnen ertönte im sonnigen Himmel ein Brüllen. Ragnar’k hatte ihr Signalfeuer entdeckt. Joach erschauderte. Es hörte sich an wie ein kommender Sturm.
»Sieh nur!« Es war Elenas aufgeregte Stimme.
Joach wandte den Blick vom Wald ab und schaute auf den See. Wasserblasen stiegen um sie herum auf und zerstörten die glatte Wasseroberfläche. Es schien, als hätte der See zu kochen begonnen. Joach festigte den Griff um seinen Stab. Bald stiegen hunderte von geschuppten Köpfen aus dem salzigen Wasser. Glänzende Drachen von jeder nur erdenklichen Farbschattierung entstiegen als Antwort auf Ragnar’ks Gebrüll ihrem Versteck. Der gesamte See füllte sich mit langen Hälsen und höckerigen Rücken. Die Reiter auf den Drachenrücken winkten dem Boot zum Gruß zu; Über den Masten des Schiffes stieß Ragnar’k im Sturzflug herunter. Ein weiterer Begrüßungsschrei schallte aus seinem schwarzen Rachen. Langsam legte sich der Drache über der versammelten Armee auf einem Flügel in die Kurve; Sonnenlicht blitzte auf seinen glänzenden schwarzen Schuppen, als er drehte. Es war ein wundersamer Anblick. Aber so wie ein hübsches Gesicht plötzlich eine böswillige Seele verraten konnte, bekam Joach einen kurzen Einblick in das Gräuel, das sich hinter dem Jubel verbarg.
Der Junge stand wie erstarrt an der Reling, sein Herz krampfte
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