Alasea 03 - Das Buch der Rache
Blutreiter am südlichen Rand des Kalmengürtels vor Anker gegangen, um dort auf die anderen zu warten. Bis jetzt hatte Kast in dieser Auseinandersetzung noch kein Wort gesagt. Er saß nur schweigend und mit versteinerter Miene da, während die anderen diskutierten.
Die Gruppe schien sich uneins darüber zu sein, was zu tun war. Flint hatte vorgeschlagen abzuwarten, bis sie den Wahrheitsgehalt von Joachs Vision geprüft hatten. Merik hingegen beharrte auf seinem Standpunkt, dass Elenas Sicherheit das Allerwichtigste war und sie das Sargassum sofort verlassen sollten. Saag wans Mutter aber hatte selbst über den ohnehin schon vorsichtigen Plan des Elv’en die Stirn gerunzelt. Sie sprach davon, nicht nur das Sargassum sofort zu verlassen, sondern auch alle Pläne im Hinblick auf einen Angriff auf A’loatal völlig zu verwerfen. All die sorgfältig ausgedachten Beschlüsse und Entwürfe wurden nun vor Elenas Augen zunichte gemacht.
Die Hexe blickte der Reihe nach in die besorgten und zornigen Gesichter der Gefährten und wusste, dass das Schicksal Alaseas einzig und allein von der Entscheidung abhing, die in diesem Raum gefällt werden würde. Ohne eine vereinte Armee, die ihr den Rücken stärkte, würde sie das Buch niemals der Gewalt des Herrn der Dunklen Mächte entreißen können. Und wenn sie das Buch des Blutes nicht zurückgewann, gab es für Alasea keine Hoffnung mehr.
Elena wusste, dass sie einen Weg finden musste, um die Gruppe zu einen.
Schließlich ergriff Kast das Wort. Er räusperte sich so laut, dass er die Aufmerksamkeit aller Anwesenden sofort auf sich zog. Da alle schon auf seine Ansprache gewartet hatten, hörten sie ihm gespannt zu und hofften, dass der Blutreiter seine Unterstützung nun einem von ihnen zusagen würde. Kast beugte sich vor. »Seid ihr denn alle blind? Wir dürfen uns nicht verstecken!« Er drehte den Kopf zur Seite, um über Saag wan hinweg ihrer Mutter ins Gesicht zu blicken. »Fliehen wir nicht schon seit Generationen vor dem Schwarzen Herzen der Gul’gotha? Seid ihr es nicht langsam leid, immer zurückzustecken und wegzurennen? Wenn wir jemals diese üblen Fesseln abschütteln wollen, werden wir eines Tages kämpfen müssen. Zugegeben, Menschen werden dabei sterben. Drachen werden umkommen. Aber ist einer von euch mit einer anderen Erwartung hierher gekommen?«
Kast deutete auf Joach. »Der Junge hat uns eine Warnung überbracht. Ich wiederhole: eine Warnung.« Kast funkelte Flint an. »Es ist mir gleich, ob sich seine Vision als stimmig erweisen wird. Er hat uns vor einem Angriff gewarnt. Statt nur immerzu zu prüfen, sollten wir uns lieber auf den Kampf vorbereiten. Ein Hinterhalt funktioniert nur, wenn das Opfer nichts davon ahnt. Da wir nun schon einmal davon wissen, können wir den Ungeheuern auch die Reißzähne ziehen und den Hinterhalt gegen sie selbst richten. Warum fliehen?«
Elenas Augen weiteten sich angesichts der Leidenschaft, mit der der Blutreiter sprach. Plötzlich sprang sie auf. Er war genau der Kampfgefährte, den sie brauchte. Kast hatte eine kleine Bresche geschlagen, und die musste sie nun erweitern. Sie zog die Handschuhe von den Händen. »Kast hat Recht«, rief sie schnell, bevor ein anderer das Wort ergreifen konnte. Sie wusste, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. »Wenn wir fliehen, rennen wir blindlings ins Unbekannte. Hier wissen wir zumindest, was auf uns zukommt.«
»Aber was ist, wenn Joach sich irrt?« fragte Flint.
Kast erhob sich und zeigte damit auch körperlich seine Unterstützung für Elena. »Dann? Dann ziehen wir weiter. Es kostet uns nichts, uns vorzubereiten.«
Flint nickte, offenbar erwog er den Vorschlag der beiden ernsthaft.
Elena redete weiter. Sie durfte jetzt den Schwung nicht verlieren. »Da gibt es noch etwas, was bisher noch niemand angesprochen hat«, erklärte sie. Sie warf einen eindringlichen Blick in das kalte Antlitz von Saag wans Mutter. Nach dem Gesichtsausdruck der Frau zu urteilen, hatte sich die Mer’ai Älteste von Kasts Worten wenig beeindrucken lassen. Elena deutete auf Joachs Stab. »Mein Bruder ist bereits von schwarzer Magik berührt. Was ist, wenn seine Vision eine Falle ist?«
»Was meinst du damit?« fragte Saag wans Mutter mit Verachtung in der Stimme.
»Was ist, wenn uns der Feind diese Vision nur geschickt hat, um uns dazu zu bewegen, aus der Sicherheit des Sargassums zu fliehen? Vielleicht wissen sie, dass wir uns hier verstecken, und hoffen, uns hinausscheuchen zu können, indem
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