Alasea 03 - Das Buch der Rache
sehr sie sich auch dagegen wehren mochte, sie vertrat Alasea: Sie waren ihretwegen hier.
Im Stehen sprach sie, als würde sie mit sich selbst reden. »Mein Onkel hat mir einst Geschichten aus Alaseas Vergangenheit erzählt: Geschichten von Städten, deren magikberührte Türme die Wolken streiften, Geschichten von goldenen Straßen und Landstrichen, in denen Überfluss herrschte und wo Wesen aus aller Herren Länder friedlich zusammenlebten. Ich dachte immer, diese Geschichten wären Märchen, kindische Fantasien. Wie konnte eine solche Schönheit und Anmut jemals in dieser Welt existiert haben?«
Elena ließ die Hand sinken und starrte die Versammelten mit Tränen in den Augen an. »Ich sehe diese Anmut hier und weiß, dass eine solche Welt wirklich möglich ist.«
Bevor jemand darauf antworten konnte, platzte die Tür zur Kombüse auf, und alle fuhren herum. Tok stürmte in den Raum. Er führte einen Mer’ai herein, von dessen nacktem Oberkörper noch das Wasser tropfte. Tok winkte den Mann heran. »Ich habe ihm gesagt, dass ihr wichtige Pläne zu besprechen habt, aber er sagt, er hätte Neuigkeiten, die ihr sofort erfahren müsstet.«
Der Mer’ai Krieger suchte zwischen keuchenden Atemzügen nach Worten. »Etwas… im Wasser… es… es…!«
Die ältere Mer’ai Frau herrschte ihn an: »Bridlyn! Nimm dich zusammen.«
Der Mann rang einige Augenblicke lang nach Luft, dann schluckte er schwer. »Der Kanal, durch den wir gekommen sind. Er ist geschlossen. Es gibt keinen Weg zurück.«
»Was meinst du?« fragte Flint.
Saag wan antwortete. »Während Ragnar’k und ich über den Wald flogen, schwammen die anderen Drachen unter dem treibenden Tang hindurch. Sie kamen durch einen geheimen Gang unter dem See herauf.«
Bridlyn nickte. »Wir hatten Wachen neben dem Tunnel aufgestellt, der von hier hinausführt. Schon bei Einbruch der Dunkelheit war der Gang geschlossen, der Tang hatte ihn versperrt.«
Flint hob eine Hand und machte ein ernstes Gesicht. »Beruhige dich! Der Tang hat dasselbe mit unserem Kanal gemacht. Er verwischt nur unsere Spuren.«
Bridlyn blickte Flint ungläubig an. »Er hat die beiden Wachen ertränkt! Sogar ihre Drachen hat er mit Tang umwickelt und erwürgt!«
19
Im Mondlicht stand Rockenheim auf einem kleinen Hügel aus rotem Tang. Seine Stiefel waren durchnässt bis auf die kalten Zehen. Der Saum seiner grünen Robe hatte sich auf der einsamen Wanderung durch die Weiten des versunkenen Waldes mit Salzwasser voll gesogen und hing nun schwer herunter. Mit einer Hand zog Rockenheim die Robe fester um den Hals. Greschym hatte darauf bestanden, dass er diesen schweren Umhang trug es war das Gewand der alten Sekte der Bruderschaft, welche mit der Natur Zwiesprache gehalten hatte. In der anderen Hand hielt Rockenheim einen langen, weißen Stab, dessen Ende mit geschnitzten hölzernen Blättern geschmückt war. Es handelte sich um Bruder Lassens alten Eichenstecken.
Rockenheim drang immer weiter in den geheimnisvollen Wald vor, wobei seine Füße tief in den weichen Matten und Hügeln aus Tang einsanken.
Ganz früh am Tag war er mit einem schnellen Schiff in den Kalmengürtel gebracht und kurz vor Sonnenaufgang kurzerhand im Wald abgesetzt worden. Hier angekommen, hatte sich Rockenheim auf den Waldboden niedergekniet und die Riten vollzogen, die Greschym ihm beigebracht hatte. Er hatte den Tang angefleht, ihn anzuhören und die Hexe und ihre Gefährten festzuhalten. Rockenheim hatte vom Sargassum keine offensichtliche Bestätigung erhalten, doch gespürt hatte er sie. Ein Gewicht, einem Windstoß nicht unähnlich, war über ihn hinweggerollt und über dem Stab aus Eichenholz in seiner Hand kurz stehen geblieben. Dann war das Gewicht verschwunden, und Rockenheim wusste, dass das Wesen seine Bitte verstanden hatte.
Nun musste er nur die Rolle des Grünen Bruders weiter spielen. Er würde durch dieses nasse Land spazieren, bis die Skal’ten Legion von A’loatal hier eintraf. Greschym hatte ihm aufgetragen, in Bruder Lassens Fußstapfen zu wandeln und allein in den Wald zu gehen, bar jeglicher schwarzer Magik. Der alte Dunkelmagiker hatte ihn gewarnt, der Gebrauch der geheimen Künste könnte die schwachen Spuren von Lassens Geist im Wald überschatten. Wenn sie ihre List zu Ende führen wollten, durften sie die schwarze Magik nicht berühren
zumindest so lange nicht, bis sie den Tang für ihre Sache gewonnen hatten.
Danach, wenn der Tang die Hexe in die Falle gelockt hatte, sollte ein
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