Alasea 03 - Das Buch der Rache
dunklen Ecken an und wachten sorgsam über die Abfälle, die noch im Heu auf sie warteten.
Der Einäugige ging zu Er’ril und trat ihm gegen das Schienbein. »Steh auf. Wir sollen dich in die Baderäume bringen.« Er beugte sich hinunter und blickte Er’ril spöttisch ins Gesicht. »Es scheint, der Prätor hat etwas mit dir vor.« Er deutete mit dem Kopf nach nebenan, wo die armselige Kreatur leise vor sich hin wimmerte. »Vielleicht macht er aus dir auch so ein Spielzeug.«
Der andere Soldat unterbrach ihn. »Nock, hör auf, ihn zu ärgern, und hilf mir mit den Ketten.«
Murrend verabreichte der Wächter mit Namen Nock Er’ril einen letzten Hieb, ehe er sich bequemte, mit Hand anzulegen. Zu zweit hatten sie Er’rils Beine rasch gefesselt, dann legten sie eine Kette um seine Hüfte. Sie befreiten seinen Arm aus den Eisenmanschetten an der Wand und ketteten ihn an die Hüfte.
So gefesselt, wurde Er’ril aus der Zelle geführt. Er war nur mit einem schmutzigen Lendenschurz bekleidet, und leichtes Fieber rötete sein Gesicht. Die kalte Luft im Gang verursachte ihm eine Gänsehaut. An Handgelenk und Knöcheln hatten die alten Eisenmanschetten tiefe Wunden in der geschundenen Haut zurückgelassen, Quetschungen und Entzündungen verfärbten sie dunkelrot. Er’ril humpelte hinter den ersten beiden Wächtern her, während zwei andere hinter ihm mit Speeren dafür sorgten, dass sein schlurfender Gang nicht zu langsam wurde.
Sie brachten ihn in einen wärmeren Raum; Dampf und der Geruch von Seifenlauge stiegen ihm in die Nase. In der Mitte des Raumes stand eine Eisenwanne. Man entledigte Er’ril der Ketten und des Lendenschurzes und beorderte ihn kurzerhand in das dampfende Wasser. Er verbiss sich einen Schmerzensschrei, denn das heiße Wasser brannte höllisch in seinen Wunden.
»Wasch dich, und zieh dich an!« befahl Nock und warf ihm Seife und eine Bürste in die Wanne. »Und beeil dich. Wir haben nicht den ganzen Morgen Zeit.« Die Wächter zogen sich zurück und versammelten sich im Flur.
In dem Baderaum befand sich neben der Wanne nichts außer einem beschlagenen Spiegel und einem Hocker, auf dem saubere Kleider lagen. Er’ril tauchte ein ins heiße Wasser und ließ die Wärme sein Fieber vertreiben. Als sein Kopf zu pochen aufhörte, nahm er Seife und Bürste zur Hand und reinigte zuerst seine Wunden. Er biss die Zähne zusammen und schrubbte mit einer Hand den Schmutz und das getrocknete Heu aus den tiefen Kratzern und Schnitten. Erst als sich das Wasser mit seinem eigenen Blut rot färbte und die Wunden frisch und blutig aussahen, hörte er auf und wusch sich den restlichen Körper.
Das Wasser kühlte langsam ab, und Er’ril ließ seine Gedanken zu Elena und den anderen schweifen. In den vorangegangenen Tagen hatte er sich absichtlich versagt, an sie zu denken. Er hatte nicht vollends verzweifeln wollen. Wussten sie, dass er noch lebte? War es Saag wan gelungen, die De’rendi zu überzeugen? Wenn um Mitternacht der volle Mond aufging, würden die Dunkelmagiker versuchen, das Buch zu zerstören. Sollte ihnen das gelingen, würden selbst alle Blutreiter und Hexen der Welt nichts mehr ausrichten können.
Er bedeckte sein Gesicht mit der Hand nicht wegen seines schrecklichen Schicksals, sondern weil er seltsamerweise nichts fühlte bei dem Gedanken an das Buch oder an das Los A’loatals. Er würde mit jeder Faser seines Körpers versuchen, das Vorhaben der Magiker zu verhindern, aber in seinem tiefsten Innern hatte er nur eine einzige echte Sorge. Sein Gedächtnis beschwor Elenas Antlitz im Dampf des Bades herauf. Ganz gleich, ob das Buch des Blutes nun weiter bestand oder nicht. Elena musste leben.
»Wenn Ihr Euch lange genug eingeweicht habt, Eure Hoheit«, spottete Nock, der in der Tür stand, »dann hebt Euren dürren Hintern endlich aus der Wanne, und trocknet ihn ab.«
Er’ril stützte sich mit seiner Hand auf den Wannenrand und stieg aus dem warmen Wasser auf den eiskalten Steinfußboden. Er ging zum Spiegel, rieb sich mit einem Handtuch trocken und zog sich umständlich die Leinenunterwäsche und die feinen grauen Hosen an, nachdem er seine Wunden mit den sauberen Verbänden umwickelt hatte, die jemand neben die Wanne gelegt hatte. Dann streifte er sich ein weites, weißes Hemd über und begutachtete sich im Spiegel.
Er war hager geworden, Wangen und Kinn wurden von einem dunklen Bart verdeckt, und die grauen Augen schienen nur noch dunkle Höhlen in seinem Gesicht zu sein. Sein Bruder
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