Alasea 03 - Das Buch der Rache
und golden geringelte Schwanz half dem Wesen, sich im Türrahmen zu halten.
»Er heißt Tikal«, sagte die alte Frau hinter dem Ladentisch. Sie sprach mit einem melodischen Akzent, den Mikela nicht einordnen konnte. »Er stammt aus meiner Dschungelheimat Yrendl.«
Mikela zog die Augenbrauen hoch. Sie kannte die Geschichten von dem dichten Dschungel weit südlich der Ödlande, aber sie hatte niemals jemanden getroffen, der schon dort gewesen war. Auch wenn man übers Meer fuhr, dauerte die Reise mindestens einen Winter.
»Was hat dich hierher, so weit weg von deiner Heimat geführt, Heilerin?« fragte Mikela. Sie wusste zwar, dass sie so schnell wie möglich zur Söldnerkaste gehen sollte, aber die Neugier hielt sie zurück.
»Sklavenhändler.« Die Antwort kam nüchtern und sachlich, weder Bitterkeit noch Zorn war darin zu spüren. »Vor langer Zeit.«
Mikela, die sich der neugierigen Frage nun schämte, wollte der Frau schon einen guten Tag wünschen und weiterziehen, aber die alte Heilerin winkte sie erneut ins Haus, diesmal noch beharrlicher.
»Komm herein.«
»Ich habe keine Verwendung für deine Medizin.«
»Und ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.« Die Heilerin wandte Mikela den Rücken zu und fuhr mit den Fingern geschäftig an den Regalbrettern entlang, als würde sie nach etwas suchen. »Ich weiß etwas über deine Freunde, die du suchst.« Die Heilerin dehnte das letzte Wort in die Länge und gab Mikela so zu verstehen, dass sie wusste, dass Mikela eine Sucherin war.
Was war das? Misstrauisch, aber doch neugierig, stieg Mikela vom Pferd. Sie konnte keinen Hinweis auf schwarze Magik feststellen. Was mochte diese alte Heilerin wohl wissen? »Ferndal, pass auf den Wallach auf.«
Der Wolf stellte sich zwischen Straße und Pferd, die Nackenhaare gesträubt. Zufrieden schlüpfte Mikela durch die Tür. Das Tier mit dem feurigen Fell hing noch immer am Schwanz aufgehängt im Rahmen und schnatterte ihr aufgeregt hinterher, als sie an ihm vorbeiging. Mikela suchte alle Ecken des Raumes gründlich ab, bevor sie zum Ladentisch ging. Sie spürte keine anderen Lebewesen. »Was weißt du über mein Anliegen?« fragte Mikela, da sie der Frau gegenübertrat.
Die Frau antwortete nicht.
Hinter Mikela schlug plötzlich die Tür zu und wurde mit einem lauten Klicken verriegelt. Die Schwertkämpferin erinnerte sich mit einem Mal wieder daran, dass Neugier kein gesunder Zeitvertreib in Port Raul war, und rief sich den schmächtigen Schneider mit seinem klobigen Wächter in Erinnerung. Seit wann konnte in dieser Stadt eine blinde Frau einen Laden ganz allein führen?
Ein raues Lachen ertönte hinter Mikela. »Fass dein Schwert an, und du stirbst.«
»Gewöhnliche Träume werden ziemlich oft mit Traumgeweben verwechselt«, erklärte der hünenhafte, dunkelhäutige Bruder dem jungen Joach, »selbst von denen, die diese Kunst eigentlich gut beherrschen.«
Moris und Er’ril saßen auf der Bank in der Kombüse der Meereswind und blickten Joach über den Kieferntisch mit finsteren Mienen an. Joach machte nicht den Eindruck, dass er sich durch die Gegenwart des Präriebewohners umstimmen ließe. »Es war ein Gewebe«, sagte Joach noch einmal entschlossen. »Er’ril wird uns betrügen.«
Flint stand am Herd und kostete die Brühe des Eintopfes. Er seufzte zufrieden und meldete sich zu Wort. »Joach, du bist ein verdammter Narr.«
Joachs Wangen glühten rot auf, als er die unverfrorenen Worte des Fischers vernahm.
Flint rührte den Eintopf ein letztes Mal um und legte dann den Deckel auf den dampfenden Topf. »Du hättest zuerst zu uns kommen sollen. Es deiner Schwester zu erzählen und sie mit diesem Geheimnis zu belasten war verdammt noch mal falsch. Sie hat ohnehin schon schwer zu tragen, auch ohne dass du sie mit deinen falschen Traumgeweben beunruhigst.«
Joachs Blut geriet in Wallung, als er daran dachte, dass Elena ihr Versprechen gebrochen und dem Präriemann von seinem Traum erzählt hatte. Elena war auch nicht zu dieser Zusammenkunft gekommen, sie war angeblich zu krank, um ihre Koje verlassen zu können. Joach vermutete jedoch, dass es eher die Scham war, die sie in ihrem Versteck hielt. Seine Faust umklammerte fest den Poi’holz Stab, der auf seinen Knien lag. Das war der einzige Beweis, den er brauchte. In seinen Handflächen fühlte er die unheilvolle Magik, die in dem Holz wie Öl auf der Haut floss. »Der Zauberbann aus dem Traum wirkte«, setzte er zu einem Beweis an. »Warum sollte es kein echtes
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