Alasea 03 - Das Buch der Rache
gertenschlanke Frauen musterten sie mit geschürzten Lippen. Das silberne Haar der beiden Frauen war lange schon ergraut. Merik hatte erzählt, dass es seine Tanten wären. Und genau diese beiden waren auch an Elenas gegenwärtiger misslicher Lage schuld.
»Nun ja, etwas Besseres haben wir nicht«, sagte Aschmin offenbar unzufrieden.
Caroline lächelte die andere Frau an. »Du bist zu voreilig. Man muss es erst einmal in Bewegung sehen.« Die ältere der beiden Frauen wedelte mit den Fingern in Elenas Richtung, und eine leichte Brise wehte sogleich durch die Burgkammer und blähte das Kleid auf. »Siehst du? Dieses Kleid muss sich bewegen.«
Aschmin seufzte laut. »Wenn wir in Sturmhaven wären…«
»Natürlich, Schwester, dann würde auch ich mich vor Scham verkriechen, wenn ich nur eine Dienstmagd in einem solchen Aufzug präsentieren müsste.«
Aschmin tippte mit dem Finger nachdenklich gegen ihr Kinn und neigte den Kopf leicht zur Seite. »Vielleicht sollten wir das blassrosa Kleid noch einmal probieren.«
Bevor Elena heftig dagegen protestieren konnte, unterbrach ein Klopfen an der Tür die Tanten. »Elena!« rief eine Stimme. Es war Joach. »Wir warten alle schon eine Ewigkeit unten im Saal. Ich wurde geschickt, um dich zu holen.«
Elena dankte der Süßen Mutter für ihre Errettung. »Ich komme!« Sie blickte ihre beiden Peinigerinnen an, die es nicht wagten, ihr zu widersprechen.
Aschmin warf die Hände in die Luft. »Dann muss es eben so gehen.«
Caroline nahm die Hand ihrer Schwester. »Sie sieht bildschön aus. Du hast ein Wunder vollbracht.«
Elena rollte mit den Augen und ging zur Tür. Sie wäre am liebsten gelaufen, aber das Kleid und die Schuhe zwangen sie zu einem eher gemächlichen Gang. Sie griff nach dem Türriegel, doch Aschmin kam ihr zuvor. Elena wunderte sich über die Schnelligkeit der Elv’en Beine.
Aschmin schob den Riegel beiseite und zog die Tür weit auf. Dies geschah jedoch nicht aus Höflichkeit oder aus Respekt, weil Elena von ihrem Königsgeschlecht abstammte, sondern aus eher praktischen Gründen. »Du darfst die Handschuhe nicht beschmutzen. Halte deine Hände unter der Brust gefaltet, so wie wir es dir gezeigt haben. Du bist eine Elv’en Prinzessin, Kind.«
Elena runzelte die Stirn, gehorchte jedoch. Der Tonfall der alten Frau war zu mütterlich, als dass sie die Ermahnung einfach hätte abtun können.
Hinter der Tür stand Joach im Gang. Er war sprachlos. Sein Mund stand offen, während sein Blick von den silbernen Schuhen bis zum aufgesteckten Haar wanderte. »Du bist ja wunderschön!« Seine Worte wären schmeichelhaft gewesen, hätte er sie nicht mit solcher Ungläubigkeit ausgesprochen.
Dennoch lächelte Elena. Sie war schließlich eine Prinzessin. »Ich sehe, sie haben dich so geschrubbt, dass doch noch ein Mensch unter der dicken Schmutzschicht zu finden war.«
Joach richtete die Schultern voller Stolz gerade und reckte die Brust heraus, um seine Kleider vorzuführen. Das Haar hatte man ihm ordentlich gekämmt und geölt. Der dünne rötlich braune Bart, der ihm neuerdings wuchs, war gestutzt und in Form gebracht. Hätte Elena es nicht besser gewusst, hätte sie Joach für einen reichen Jüngling aus gutem Hause gehalten. Seine Hosen schimmerten so dunkelgrün, dass sie fast schwarz wie seine Stiefel wirkten. Das aus Silberfäden gesponnene Hemd, über dem er eine ärmellose grüne Weste trug, steckte in einem breiten schwarzen Gürtel.
Elena schüttelte den Kopf. Joachs Gewand war in denselben Farbtönen gehalten wie ihr Kleid. Die zwei Tanten hatten wohl auch bei seiner Kleidung ein Wörtchen mitzureden gehabt. Da Joach ihr Begleiter war, musste er natürlich auch farblich zu ihr passen.
Aschmin verbeugte sich etwas steif in der Hüfte. »Mein Prinz«, sagte sie förmlich, aber warmherzig, »Ihr seht äußerst edel aus. Meine Nichte wird hocherfreut sein.«
Joach erwiderte die Verbeugung und bot Elena seinen Arm an. »Danke, meine Dame. Aber unsere Gäste warten.« Joach führte seine Schwester fort.
Als sie weit genug entfernt waren, flüsterte Elena ihrem Bruder ins Ohr: »Was hast du getan, dass Aschmin sich so wohlwollend über dich geäußert hat? Was war das mit ihrer Nichte?«
Joach lächelte, obwohl ein leicht säuerlicher Zug seine Lippen umspielte. »Seit diese Elv’en erfahren haben, dass ich dein Bruder bin und in meinen Adern natürlich auch das Blut ihres verlorenen Königs fließt, hat so ziemlich jede Elv’en Mutter, die eine
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