Alasea 03 - Das Buch der Rache
nur zögernd. »D Du weißt nicht, was du da von mir verlangst.«
Sie berührte seine Hand. »Ich glaube schon«, flüsterte sie.
Er blickte ihr schweigend in die Augen, doch er machte den Eindruck, als wollte er ihr noch etwas sagen. Plötzlich wusste Elena, dass er ablehnen würde. Er hatte bereits fünf schwere Jahrhunderte seines Lebens geopfert. Nun hatte er seine Freiheit verdient. Sie hatte kein Recht, ihn zum Bleiben aufzufordern. Sie öffnete den Mund, um ihr Angebot zurückzunehmen, aber da sank Er’ril erneut auf die Knie.
Er nahm ihre Hand und hielt sie zwischen seinen Handflächen. »Mein Herz hat dir vor langer Zeit einen Eid geschworen. Wenn du willst, werde ich immer an deiner Seite stehen.«
Wieder stiegen Tränen in Elenas Augen. Sie nahm seinen Arm. »Steh auf, mein Paladin.«
Er’ril erhob sich und nahm seinen Platz an ihrer Seite ein.
Alle Augen waren erwartungsvoll auf Elena gerichtet. Es wurde Zeit. Sie hob das Buch hoch und trat einen Schritt vor. Sie hatte die Gäste lange genug warten lassen. Nun musste sie sich ihrer ureigensten Aufgabe widmen.
Die Angst, die sie befallen hatte, als sie den Saal betreten hatte, war mit einem Mal verschwunden. Mit Er’ril neben sich würde sie sich allem stellen sogar dem Buch des Blutes. Langsam streifte sie die grünen Handschuhe ab und enthüllte so die zwei aufgeblühten Rosen auf ihren Händen. Ihre Handflächen schienen im Fackellicht fast zu glühen.
Ein Raunen ging durch den Saal, als die Leute die leuchtenden Rosen sahen.
Elena blickte jedoch nicht auf die Zuschauer, sondern auf das Buch. In ihren nackten Händen fühlte sie deutlich die Macht des Buches. Es war wie ein Stück Kohle in ihren Fingern. Bevor sie den Mut verlor, öffnete Elena den mit der Rose versehenen Einband.
Da verschlug es ihr schier den Atem, und sie stolperte zurück.
Das Buch verwandelte sich von einem angenehm warmen Stück Kohle in eine feurige Qual. Elena hatte das Gefühl, sie hielt ein brennendes Holzscheit umklammert. Aber sie ließ das Buch nicht los. Sie kannte diesen Schmerz. Es war dieselbe Pein, die sie gefühlt hatte, als sie versucht hatte, Joachs Stab anzufassen. Sie spürte, wie die Blutmagik aus ihren Händen gesogen und vom Buch aufgenommen wurde. Immer noch hielt Elena das Buch fest. Sie spürte, dass es zu einer Katastrophe führen würde, wenn sie es jetzt losließe. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
»Elena?« Er’ril trat einen Schritt näher.
»Nein«, würgte sie heraus. »Bleib zurück!«
Bei diesen Worten schoss ein heller Lichtstrahl aus den Seiten des Buches. Er blendete Elena und brannte sich in ihr Gedächtnis. Dann verschwand das Licht so schnell, wie es gekommen war, und nahm den Schmerz mit sich. Elena zwinkerte, und das Buch wurde zu einem kühlenden Balsam in ihren Händen. Erleichtert richtete sie sich auf und blickte auf das Buch.
Was sie jedoch nun in dem Buch vorfand, erschreckte sie so sehr, dass sie den Band fast weggeworfen hätte. Er’ril beruhigte sie, indem er ihr die Hand auf die Schulter legte. Dann beugte er sich vor, um mit ihr gemeinsam in das Buch zu blicken. Elena hörte, wie der Präriemann den Atem einzog, und sprach zu ihm in der Hoffnung, dass er eine Antwort auf ihre Frage wusste. »Er’ril, wo sind die Seiten?«
Zwischen den abgewetzten Buchdeckeln waren keine Blätter mehr dort befand sich nun eine andere Welt. Das offene Buch war zu einem Fenster geworden, das Ausblick auf eine schwarze Ödnis gewährte, auf dicht gedrängte leuchtende Sterne und Wolken aus verschiedenen Gasen, die in allen Regenbogenfarben leuchteten. Plötzlich rauschte eine unwirkliche Gestalt aus nebligem Licht aus der Tiefe, und durch das Fenster gelangte sie in Elenas Welt.
Überall im Saal fielen Stühle um, als die Gäste entsetzt aufsprangen. Waffen wurden gezogen, doch niemand wagte es, sich zu nähern.
Er’ril zog Elena zurück.
Ungeachtet der Panik, die im Raum ausbrach, sank die neblige Gestalt langsam auf den Marmorboden des Saales nieder. Der Nebel waberte sanft. Er leuchtete von innen heraus und erinnerte an Mond und Sterne. Langsam verdichtete sich der Nebel und gewann an Substanz. Arme und Beine bildeten sich heraus, die in demselben Feuer leuchteten wie die Rose auf dem Buchumschlag. Das Schimmern wurde dichter, bis man Gesichtszüge erkennen konnte.
Noch bevor die Verwandlung vollständig vollzogen war, erkannte Elena bereits den ernsten Gesichtsausdruck der Erscheinung. Bald war aus dem glühenden Nebel
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