Alasea 03 - Das Buch der Rache
aus geisterhaftem Licht eine Skulptur entstanden, die aus Mondstein gehauen zu sein schien. Die Erscheinung aus dem Buch sah Elena und ihre Gäste an.
Elena entspannte sich. Sie kannte diese Frau: die dünnen, strengen Lippen; die kleine Nase, deren Spitze leicht nach oben zeigte; das Haar, das zu einem strengen Zopf geflochten war, um die Besitzerin nicht beim Backen zu stören. Elena nannte die Besucherin beim Namen. »Tante Fila?« Nach so viel Fremdem war ihr das vertraute Gesicht höchst willkommen.
Dann sprach die Erscheinung, und all das Vertraute und Bekannte war wie zertrümmert. Die Stimme klang kalt. Sie hallte aus einer weit entfernten Ebene herauf. Hinter den Worten erloschen die Sterne, Welten wurden zu Asche verbrannt. So wie Greschym sich vor ein paar Tagen auf dem Turm hinter Elenas Gesicht versteckt hatte, so verbarg sich nun etwas Großes und Fremdartiges hinter Tante Filas Gesicht.
»Wir sind Cho«, gab die Gestalt bekannt, neigte den Kopf zur Seite und betrachtete Elena so, wie ein Vogel eine Spinne ansehen würde, die er gleich zu verspeisen gedachte. »Die Leere wurde geöffnet«, verkündete sie mit einem Nicken auf das Buch in Elenas Hand, »und die Brücke geopfert.« Die Erscheinung deutete auf ihre eigene Gestalt.
Elena hob die Hand an den Hals. »Wer bist du? Was hast du Tante Fila angetan?«
Die Erscheinung richtete den Kopf wieder gerade. » Wir sind Cho. Wir sind Fila.« Die Worte wurden so selbstverständlich ausgesprochen, als wären sie ohnehin jedem klar. Dann neigte die Frau den Kopf erneut zur Seite, als würde sie auf etwas in weiter Ferne horchen. »Wir verstehen.«
Elena wusste, dass diese Bemerkung nicht für sie bestimmt war. Während sie zusammen mit Er’ril auf die Frau starrte, schien sich die Gestalt aus leuchtendem Mondstein zu entspannen. Fast schien es, als hätte etwas Wärmeres von ihr Besitz ergriffen.
Als die Erscheinung erneut die Stimme erhob, wusste Elena, dass es nun ihre tote Tante war. Fila lächelte sogar ihr vertrautes, etwas müdes Lächeln. Die Augen der Frau musterten ihre Nichte von oben bis unten. »Elena, mein Liebling, du bist gewachsen, seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Aber wie das vonstatten ging, musst du mir später erzählen. Jetzt muss ich mich beeilen. Deine Heilung nahm den Großteil der Energie dieses Mondes in Anspruch.«
Elena schüttelte den Kopf und versuchte, eine der tausend Fragen zu stellen, die sie beschäftigten. »Was…? Wer war die andere Frau?«
Wie immer spürte Tante Fila auch diesmal ihre Verwirrung. Sie hob eine Hand. »Beruhige dich. Nicht einmal ich selbst kann das alles erklären. Aber ich kann deine Frage beantworten. Cho ist das Wesen, das dir deine Macht gegeben hat. Sie ist ein Wesen, das weder eine Gestalt noch eine Substanz besitzt. Sie ist Licht und Energie, Magik und Macht. Während wir auf dieser Welt leben, lebt sie in der Leere zwischen den Sternen und reist von einem Stern zum anderen.«
Elenas Augen wurden groß.
»Ich werde dir später nähere Einzelheiten berichten, mein Kind. Jetzt muss ich mich kurz fassen. Das Buch ist deine einzige Möglichkeit, mit Cho kommunizieren und sie verstehen zu können. Mein Geist ist die Brücke zwischen dem Buch des Blutes und diesem Wesen. Sie hat sich meinen Geist genommen und benutzt ihn, um von den Sternen zum Buch zu gelangen. Aber dem sind Grenzen gesetzt, du musst bestimmte Regeln befolgen.«
»Welche Regeln?«
»Erstens, du hast das Buch bei Vollmond entflammt, der Pfad kann also nur während einer der drei Vollmondnächte geöffnet werden. Am Tag und in den anderen Nächten ist das Buch nur eine Quelle der Macht. Es wird dich schützen helfen und dich heilen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Seine Macht ist nicht grenzenlos. Selbst in der Nacht eines vollen Mondes ist viel Energie vonnöten, um die Verbindung aufrechtzuerhalten. In diesem Zyklus haben wir die meiste Energie darauf verwendet, dich zu heilen, also müssen wir uns bis zum nächsten Mondzyklus kurz fassen. Während der kommenden Monde werden Cho und ich die Nächte nutzen, um dich auf das vorzubereiten, was als Nächstes kommen wird. Wir werden dich schulen.«
»Und was wird das sein?«
»Jetzt ruh dich erst einmal aus. Du hast so viel vollbracht.
Nutze die Herbst und Wintermonde, um in dieser einstigen Domäne des Schwarzen Herzens Fuß zu fassen. Die Insel wird gebraucht.«
»Aber was wird danach kommen? Wann tragen wir den Kampf nach Schwarzhall und zu
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