Alasea 03 - Das Buch der Rache
»Ja, auch ich erinnere mich an diesen Namen, Rockenheim. Du hast ihn hinausgeschrien, als wir dich das letzte Mal töteten. Damals, als du uns alle verrietest.«
Rockenheims Augen kehrten in die Wirklichkeit zurück. »Er’ril!« zischte er.
Ein Raunen ging durch die immer noch weiter anwachsende Horde von Kobolden, sie ahmten den Ärger ihres Meisters nach. Hinter Rockenheim zischten die kleinen Monster und schlugen um sich, ein Gewirr aus Krallen und giftigen Schwänzen, die sich heillos ineinander verkeilt hatten, weil sie nicht wussten, wohin.
»Verflucht, warum kommt er gerade jetzt«, murmelte Flint und funkelte böse zu Er’ril hinüber.
Er’ril beachtete die Gefährten nicht, seine Augen waren nur auf Rockenheim gerichtet. Er trat vor, das Schwert aus magikgetränktem Silber in der Hand, sein Gesicht eine Maske aus blinder Wut. »Wir halfen dir, aus den Fängen des Skal’tums zu entkommen, und du hast uns dafür mit Verrat belohnt! Ganz gleich, welches Leben du einst führtest ob gut oder schlecht , es ist nun verwirkt!«
»Kühne Worte für jemanden, der nach fünfhundert Wintern jetzt endlich sterben wird.« Rockenheim riss sich das Hemd von den Schultern, und die Wunde in der Brust brach erneut auf, ein klaffender Rachen, aus dem Dunkelheit floss.
Joach starrte wie gelähmt in den fließenden Schatten. Tief aus dem Kern des Golems starrten glutrote Augen zu ihm heraus, angefüllt mit Bösefeuer und abscheulicher Magik.
Begleitet vom Heulen der Kobolde, war das Schwarze Herz gekommen, um dem Gemetzel beizuwohnen.
Elena stand da, in Licht getaucht. In weiter Ferne hörte sie Rufe und Schreie fremder Ungeheuer, aber hier befand sie sich auf einer Insel des Friedens und der Ruhe. Das leise Spiel kristallener Glöckchen säuselte ihr ins Ohr, und ein herber Duft, dem von Gewürznelken nicht unähnlich, schwebte in der Luft. Wo war sie? Sie tat sich schwer, sich daran zu erinnern, warum sie dort stand. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. »Hallo!« rief sie in die Helligkeit. »Ist da jemand?«
Eine Gestalt tauchte auf: eine Frau, gehüllt in Lichtwirbel, erschien vor ihren Augen. »Mikela hätte dir beibringen sollen, besser auf deinen Rücken aufzupassen«, schimpfte die Gestalt. Das Gesicht der Frau wurde immer deutlicher, und der strenge Ausdruck kam Elena sehr bekannt vor.
»Tante Fila?« Elena stürzte auf sie zu und wollte die verstorbene Tante in die Arme schließen. Aber als sie die Erscheinung erreichte, fielen ihre Arme durch die Gestalt hindurch. Bestürzt trat Elena zurück.
Tante Fila erhob eine schimmernde Hand und streichelte Elena über die Wange. Nur eine sanfte Wärme zeugte von der Berührung ihrer geisterhaften Finger. »Du dürftest gar nicht hier sein, Kind.«
Elena blickte sich um. In der Vergangenheit hatte sie schon einige Male mithilfe eines Magik Amuletts zum Schatten ihrer toten Tante sprechen können. Aber was geschah hier? Um sie herum waberte eine konturlose Welt aus gleißendem Licht, die undeutliche Ansichten fremder Länder und schwebende Bilder anderer Menschen enthüllte. Gesprächsfetzen drangen aus weiter Ferne an ihr Ohr. »Wo bin ich?« fragte sie schließlich.
»Du hast die Brücke des Geistes überquert, Kind. Das Gift der Kobolde hat dir das Leben entzogen. Dem Tod so nah, kann dein Geist zwischen den Welten der Lebenden und der Toten hin und her fliegen.«
»Ich werde sterben?«
Tante Fila hatte sie auch früher nie von der Wahrheit verschont. »Vielleicht.«
Tränen stiegen in Elenas Augen und trübten ihren Blick. »Aber ich muss Alasea retten.« Sie hob die Handflächen, um Tante Fila die beiden rubinroten Flecken der Macht zu zeigen. Doch ihre Hände waren weiß. Die Macht war verschwunden!
»Du hast all deine Magik verbraucht, um dich am Leben zu erhalten«, erklärte Tante Fila. »Aber fürchte dich nicht, Kind. Auch hier gibt es die Möglichkeit, sie zu erneuern. Jedes Licht, auch das geistige, kann die Magik in dir neu beleben. Erinnere dich an deine Ahnin Svesa’kofa es hatte einen Grund, warum sie die Hexe von Geist und Stein genannt wurde. Aber du musst dich beeilen.« Tante Fila streichelte Elena noch einmal über die Wange. Diesmal konnte Elena die Hand der Tante jedoch wirklich fühlen. »Da deine Magik aufgebraucht ist, kommt der Tod näher, und wir wachsen enger zusammen.«
Elena trat entsetzt zurück.
»Du musst die Macht erneuern, Elena. Beeil dich!«
Elena streckte den rechten Arm hoch in die Luft und betete
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