Alasea 03 - Das Buch der Rache
dem Gestank und den vielen unglücklichen Seelen, die durch die düsteren Schatten schlichen.
Mit einem schwarz goldenen Umhang der Stadtwache getarnt, duckte er sich, um seine Größe zu mindern, und hielt sein Gesicht verborgen, während sie durch die Straßen liefen. Aber in einer so verkommenen Stadt, dachte Tol’chuk, würde selbst ein monströser Hochland Og’er wie er nicht weiter auffallen, man würde höchstens den Preis für seine Haut abschätzen.
Kral führte die Gruppe an und stellte dabei seine Axt deutlich zur Schau. Mogwied klebte an Tol’chuks Schatten wie eine Maus neben einem Bullen. Nach einer Weile blieb Kral an einer kleinen Straßenkreuzung stehen und blickte in alle Richtungen. Die Straßen hier waren nicht mehr als von Wagenrädern zerfurchte Schlammlöcher, in denen man knietief in Pferdedung und Unrat aus den umliegenden Häusern watete. Über ihnen lehnten sich ein paar mürrisch dreinblickende Frauen auf die Ellbogen gestützt aus den Fenstern im zweiten Stock.
Eine der Frauen spuckte auf Kral. Sie zielte gut. Kral wischte sich mit dem Umhangzipfel über die Wange. »Verschwindet, ihr Hunde!« rief die Frau mutig. »Wir brauchen keine Wachen, die uns ständig auf den Pelz rücken. Wir haben unseren Zehnten in diesem Mond schon bezahlt. Also macht, dass ihr fortkommt!«
Tol’chuk zog die Kapuze tiefer ins Gesicht. Die Wache, so schien es, stand in keinem sehr hohen Ansehen beim Volk.
Kral schenkte dem Zwischenfall keine Beachtung und warf einen Blick zurück zu Tol’chuk. »Ich glaube nicht, dass wir weit vom Südtor entfernt sind.« Aber Zweifel schwächte seine Stimme.
Mogwied blickte sich fortwährend ängstlich um, seine Augen wanderten ständig zwischen den dunklen Gassen und den Frauen über ihnen hin und her. »Was ist mit meinem Bruder?« fragte er. »Ferndal muss noch bei den Pferden sein.«
»Ich weiß«, sagte Kral. »Mein eigenes Pferd, Rorschaff, steht im gleichen Stall. Aber die Garnison ist bereits in Aufruhr. Wir hatten Glück, in diesem Durcheinander überhaupt noch zu entkommen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Befehl ergeht, die Stadttore zu schließen, um die Suche nach den entflohenen Sklaven zu erleichtern. Wir müssen draußen sein, bevor es so weit ist.«
»Aber Ferndal…?«
»Er ist ein Wolf. Allein wird es für ihn in der Nacht kein Problem sein zu entkommen. Er weiß, wo Elena ist, und kann zu ihr zurückkehren. Vielleicht ist er ja schon weggelaufen, nachdem man uns gefangen genommen hat. Wir wissen es nicht.«
Tol’chuk legte seine riesige Pranke auf Mogwieds Schulter. »Ich weiß, du fürchtest um deinen Bruder, aber Kral hat Recht. Ein Wolf allein wird keine Aufmerksamkeit erregen.«
Mogwied entzog sich Tol’chuks Griff mit einem säuerlichen Brummen und winkte Kral weiter. Der Gebirgler hatte sich ohnehin schon wieder der Straße zugewandt. Er stand da, kratzte sich am Hals und wusste offenbar nicht recht, welche Richtung er einschlagen sollte.
Da bog plötzlich ein gebücktes altes Weib, gestützt auf einen krummen Stock, um die Ecke und prallte gegen Krals breiten Brustkorb. Sie trat einen Schritt zurück und strich sich ein paar graue Haarsträhnen aus dem Gesicht, um einen Blick auf das werfen zu können, was ihr da den Weg versperrte.
Mit finsterer Miene hob sie drohend den Stock. »Geh mir aus dem Weg, du ungeschickter Tölpel.«
Kral zeigte sich unnachgiebig gegenüber der spindeldürren Gestalt. »Mütterchen«, entgegnete er höflich, »ich trete gern zur Seite, wenn du so freundlich wärst, uns den Weg zum Südtor zu zeigen.«
»Ihr wollt wohl die Stadt verlassen?« Sie legte den Kopf schief wie ein aufmerksamer Vogel und beäugte erst Tol’chuk und dann Mogwied. Sie schwenkte nach links und schlurfte langsam in diese Richtung weiter. »Ich kenne da eine Abkürzung; ich werde sie euch zeigen, aber nur unter der Bedingung, dass ihr großen Herren mich begleitet. Ich habe nämlich eine Tochter und einen Schwiegersohn, die da draußen wohnen, und wollte sie ohnehin schon lange wieder einmal besuchen.«
Kral betrachtete die kleine, alte Gestalt. »Wir wollten wirklich nur die Richtung wissen. Wenn du uns…«
Tol’chuk stieß dem Gebirgler den Ellbogen in die Seite. »Die alte Frau ist die beste Tarnung für uns«, flüsterte er. »Einem alten Weib und ihren Bewachern wird keiner Beachtung schenken.«
Kral seufzte und blies den Atem durch seinen Bart, dann folgte er dem Rat des Og’ers. Die Alte wackelte bereits
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