Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
klammerte sich mit beiden Armen an die Reling.
»Festhalten!« schrie Kesla.
Dann stürzte die Wilder Adler vom Himmel wie ein brennender Stein.
9
Saag wan brauchte bis zum Morgen, um das Wrack der Wilder Adler zu finden. Die Flügelverletzung ihres Reittiers gestattete nur kurze, kraftlose Flugversuche. Ragnar’k wäre gern länger geflogen, aber Saag wan verbot ihm jede Eile. Über ihre Verbindung hatte sie teil an seinem Schmerz. Ihr rechter Arm fühlte sich an, als hätte man ihn ins Feuer gesteckt, und beim Fliegen waren die Qualen fast unerträglich. Dennoch verfolgten sie über die zerklüfteten Bröckelberge den Weg, den das brennende Schiff genommen hatte.
Als die Sonne im Osten über den Horizont stieg, erreichten sie endlich die Wüstenlandschaft der Südlichen Ödlande. Saag wan hing matt auf Ragnar’ks Rücken sie war erschöpft und starb fast vor Durst. Eine dicke Rauchwolke zeigte an, wo ihr Ziel lag.
Ohne auf ihre Anweisung zu warten, stieß sich Ragnar’k von dem Felsen ab, auf dem er gelandet war, und glitt dicht über den hohen Dünen dahin. Saag wan stützte sich auf seinen Hals und starrte auf die Wüste hinab. Wie ein großes Sandmeer, dachte sie müde. Eine schier endlose Fläche, zu sanften Wellen aufgeworfen, nur hin und wieder unterbrochen von einer Felsbank.
Sie klammerte sich fest, als Ragnar’k in weitem Bogen eine hohe Düne überflog. Leibgefährtin … das Schiff …
Saag wan richtete sich auf. Eine Spur der Verwüstung wies ihnen den Weg. Dünen waren eingeebnet worden; Holztrümmer säumten den Weg; ein abgebrochener Mast hatte sich in einen flachen Sandhügel gebohrt.
Ragnar’k fand einen Aufwind und stieg höher.
Weit vorn entdeckte Saag wan in einem tiefen Tal den Schiffskörper. Die Wilder Adler war an einer Düne gestrandet und auseinander gebrochen. Im Inneren des Rumpfes glühten und qualmten noch immer kleine Brandherde. Winzige Gestalten bewegten sich in der Nähe des Wracks. Auf einer Seite hatte man die geborgenen Kisten und Vorräte gestapelt.
»Es gibt Überlebende«, stellte Saag wan fest. Dann deutete sie mit dem Arm auf die Unglücksstelle und bat den Drachen stumm, dort niederzugehen.
Ragnar’k umkreiste die Rauchsäule und schwebte langsam tiefer.
Viele Augen beobachteten die Landung. Als der Drache mit erleichtertem Schnauben aufsetzte, kamen mehrere Gestalten auf sie zu. Saag wan erkannte Joach und den Blutreiter Hant. Sie glitt vom Rücken des Drachen und winkte ihnen zu.
Joach erreichte sie als Erster. Seine Kleider waren zerrissen, und er hatte einen großen Bluterguss auf der Wange. »Ihr seid noch am Leben«, krächzte er mit vor Erschöpfung heiserer Stimme.
Sie nickte. »Aber Ragnar’k ist verletzt. Er braucht Drachenblut, damit seine Wunden heilen. Ich glaube nicht, dass er noch weiter fliegen kann.«
Hant schüttelte den Kopf. Der große Mann war von oben bis unten schwarz von Ruß. »Es tut mir Leid. Die Fässer sind alle verbrannt oder zerbrochen. Mit den spärlichen Resten haben wir denen geholfen, die beim Absturz verwundet wurden. Es ist kein Tropfen mehr übrig.«
Saag wan stöhnte auf und wandte sich ab, ohne die Hand vom Hals des Drachen zu nehmen. »Wir schaffen es auch so.«
Ragnar’k schwenkte den Kopf und schnupperte an ihrem Haar. Starkes Herz … wird heilen.
»Das weiß ich«, sagte sie. »Trotzdem solltest du vielleicht eine Weile schlafen. Bei Kast lassen sich die Wunden leichter behandeln.«
Mensch … nicht so großes Herz, schmollte der Drache.
Sie lächelte müde. »Aber dafür hat er auch nicht so riesige Schwingen.«
Ragnar’k stupste sie noch einmal mit der Schnauze an und stimmte widerstrebend zu. Sie umarmte ihn, dankte ihm und beteuerte ihm ihre Liebe, dann trat sie zurück. Der alte Bann kehrte sich um.
Als Kast aus dem Wirbel stolperte, drückte er einen Arm an die Brust. Obwohl der Unterarm schwerste Verbrennungen zeigte, verzog der Blutreiter keine Miene. »Wie viele haben überlebt?« fragte er, als existierte seine eigene Verletzung gar nicht.
Joach reichte ihm seinen zerrissenen, mit Ruß befleckten Umhang, und Kast band ihn sich um die Hüften und bedeckte seine Blöße. Erst dann beantwortete Joach seine Frage. »Außer uns nicht viele.« Er deutete auf die Stapel mit den Vorräten. »Die kleine Scheschon und die Meuchlerin Kesla haben Prellungen und Blutergüsse, aber sonst geht es ihnen gut.«
Saag wan entdeckte die junge Frau. Sie wiegte das Mädchen in ihrem Schoß.
Joach fuhr
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