Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
das lange Haar ins Gesicht. Er hielt die Locken mit der Hand zurück und plötzlich fuhr er hoch. Er hatte eine Idee!
Warum war ihm das nicht schon früher eingefallen?
Er wandte sich wieder dem Elv’en Prinzen zu. »Richald! Der Wind weht in die falsche Richtung! Du musst ihn gegen die Pflanzen richten! Peitsche damit auf die Blüten ein. Lass nicht zu, dass sie sich auf die Adler einschießen!«
Richald löste mit Mühe den Blick vom Himmel und richtete ihn langsam auf Joach.
Kesla stand auf. »Süße Mutter, er hat Recht! Wenn die Blüten vom Wind geschüttelt werden, können sie nicht mehr zielen!«
Richald nickte langsam. Zum Sprechen fehlte ihm die Kraft, doch er zweigte einen Teil des Windes ab und lenkte ihn in eine andere Richtung. Die letzten Segel, die ihnen geblieben waren, begannen zu erschlaffen.
Joach kehrte an die Backbordreling zurück. Der Windstrom hatte sich geteilt, ein kleinerer Wirbel fegte auf das Kraut hinab, schüttelte die Blütenblätter und beutelte die Stängel. Die Feuerlanzen erloschen, als wären es Kerzenflammen. Der im Entstehen begriffene Strahl aus gebündelten Lichtspeeren wurde wieder auseinandergeweht.
»Es klappt!« jubelte Kesla. »Sie können nicht mehr zielen!«
Joach schaute nach vorn. Das Ende des Feldes war nicht mehr als eine Viertelmeile entfernt. Ringsum flammten nur noch vereinzelt heftig schwankende Lichtlanzen auf. Mit etwas Glück könnten sie es schaffen.
Da brüllte Hant im Kommandoton vom Mitteldeck herauf: »Alles zurücktreten! Es hat keinen Zweck mehr! Sie ist verloren!«
Joach hatte sich so ausschließlich auf die Felder konzentriert, dass er die unmittelbare Gefahr vergessen hatte. Jetzt drehte er sich um und sah, dass der Großmast mit einem Schlag in Flammen aufging und ein weiteres Segel mit in Brand setzte. Das Feuer lief an den Tauen entlang. Die Elv’en Matrosen in den Wanten sprangen auf das Deck.
Hant kam mit der kleinen Scheschon in den Armen die Leiter heraufgesprungen. Sein Gesicht war rußgeschwärzt. »Das Feuer ist auch in den unteren Frachträumen. Das Schiff brennt von innen aus. Das ist das Ende.«
Bei diesen Worten legte sich der Wind. Richald hatte aufgegeben und ließ die Arme sinken. »Wir schaffen es nicht.«
Joach trat auf den Elv’en Prinzen zu und schlug ihn hart ins Gesicht. »Sag das nie wieder!«
Richald riss die Augen auf und betastete seine blutende Lippe. Sein Jähzorn flammte auf. »Niemand schlägt …«
»Du wirst jetzt dieses Schiff fliegen, Richald!« schrie Joach. »Solange wir leben, besteht noch Hoffnung! Du wirst dieses Schiff in der Luft halten, bis es dir unter den Füßen wegbrennt.«
Richald trat auf Joach zu.
»Schluss jetzt!« sagte Kesla und ging dazwischen. »Leite deinen Zorn lieber in den Wind. Wir haben die Felder fast hinter uns. Die offene Wüste ist nicht mehr weit.«
»Ich habe nur noch ein einziges Segel.«
»Dann zeig uns, was du kannst, Elv’e«, gab Kesla zurück.
Richald starrte sie an. Seine Züge versteinerten. Er hob die Arme, und der Wind frischte wieder auf. »Wir werden die Wüste nie erreichen.«
»Was schadet es, wenn du es versuchst?« forderte sie ihn heraus.
Wogender Rauch umfing sie. Das Schiff schleppte sich nur mühsam vorwärts. Die Brände verbreiteten eine Hitze wie ein loderndes Kaminfeuer. Hin und wieder raste noch eine Lichtlanze hinter ihnen her, aber die Böen hielten die Pflanzen in Schach.
Niemand sprach ein Wort. Jeder hielt sich irgendwo fest und wartete in atemloser Spannung.
Joach hielt sich die Hand vor Mund und Nase und streckte hustend den Kopf über die Reling. Unterhalb des Schiffes lichtete sich der Rauch. Unter dem Kiel erschien ein zerklüftetes Gelände, dunkle Schluchten, Hochflächen, über die der Sand fegte. Blinzelnd beugte er sich weiter vor. Der Qualm trieb ihm die Tränen in die Augen.
Keine Pflanzen, keine Blüten!
Er fuhr herum und schrie: »Wir haben die Felder hinter uns!«
Gesichter wandten sich ihm zu, Hoffnung keimte auf da ertönte ein gewaltiger Knall. Auf dem Mitteldeck flog eine Luke in die Luft. Aus den Tiefen des Schiffes züngelten, brüllend wie eine Schar Dämonen, die Flammen herauf. Das Schiff erbebte unter Joachs Füßen, neigte sich zur Seite und begann zu rollen. Er griff Halt suchend nach der Reling.
Hinter ihm rief Kesla: »Nicht nachlassen, Richald!«
»Bin zu schwach …«, keuchte der Elv’en Kapitän.
Das Schiff bekam starke Schlagseite. Joach konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und
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