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Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Titel: Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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zurückgeworfen aber das war auch alles, was sie gemeinsam hatten. Während der Schamane kahlköpfig war und aussah wie ein mit Leder überzogenes Skelett, war Belgan von kräftiger Statur und hatte sehr helle Haut und wallendes weißes Haar. Seine Blässe und die Fähigkeit, unsichtbar durch die Burg zu schleichen, hatten dem Gildemeister den Spitznamen ›Gespenst des Alkazars‹ eingetragen.
    Trotz ihres grundverschiedenen Äußeren verfolgten die beiden Männer jedoch ein gemeinsames Ziel. Seit zwei Monden kamen sie nun schon jeden Morgen hierher, um in der Hoffnung auf ein positives Zeichen die Knochen zu werfen. Nun waren es nur noch zehn Tage, bis der nächste Tribut fällig war und man noch mehr Kinder in den Tod schicken musste.
    Belgan hatte als Vorsteher der Meuchler Gilde die Aufgabe übernommen, die Ödlande von der Verderbnis zu befreien, die sich in Tular eingenistet hatte. Er hatte die Geschicke des Wüstenvolkes in die Hände einer jungen Frau gelegt, einer Meuchlerin, die er selbst zum Phantom ausgebildet hatte sie war seine beste Schülerin gewesen. Bevor sie aufbrach, hatte man etwas von ihrem Blut auf die Knochen geträufelt, ein bewährtes Mittel, um ihren Weg zu verfolgen. Danach hatte der Schamane zwei Monde lang aus vagen Hinweisen ihren Aufenthaltsort zu erschließen vermocht. Doch seit einem halben Mond waren die Knochen verstummt und verrieten nichts mehr. Das Mädchen war wie vom Erdboden verschwunden.
    Belgan rang die Hände. Mit jedem Tag, der ohne Nachricht verging, schwand seine Hoffnung auf Rettung weiter. Wenn sich bis morgen keine Antwort abzeichnete, musste er die Stämme auffordern, einmal mehr ihre Kinder zu versammeln und unter ihnen auszusuchen, wer leben durfte und wer sterben musste. Sie hatten keine andere Wahl. Der Blutzoll musste entrichtet werden.
    Die Augen des Schamanen wurden schmal. Er hob jäh den Kopf. »Ich sehe sie.«
    Belgan zuckte zusammen. Er wagte seinen Ohren nicht zu trauen.
    »Sie ist schon ganz nahe«, brummte Parthus, »hat bereits die Wüste erreicht.«
    »Kesla? Bist du sicher?«
    Parthus nickte.
    Belgan atmete auf. Das Mädchen war in die Ödlande zurückgekehrt! »Der Süßen Mutter sei Dank. Ich wusste ja, dass sie stark ist.«
    Der Schamane hob warnend die Hand. »Freu dich nicht zu früh. Die Knochen sprechen auch eine Warnung aus. Sie ist von Gefahren umgeben.«
    »Was für Gefahren?«
    »Das wird nicht deutlich. Blut und Rauch … Zähne, die sich ins Fleisch schlagen.«
    »Wird sie überleben? Wird sie zu uns zurückfinden?«
    Parthus zog die Stirn in Falten und verschob ein scharfkantiges Stück Kieferknochen einer Wüstenratte. »Das können nicht einmal die Knochen sagen.«
    Kesla stand unter dem provisorischen Baldachin und hielt eine zerknitterte Decke in die Höhe, als der Schrei über den Sand gellte. Es war der Schrei eines Kindes, ein Schrei voller Entsetzen, und er kam von der anderen Seite des qualmenden Wracks.
    Schon rief Hant aus ein paar Schritten Entfernung: »Scheschon!«
    Kesla ließ die Decke fallen und rannte in Richtung Schiff. »Als ich wegging, hat das Kind noch fest geschlafen.«
    Hant folgte ihr. Obwohl er die längeren Beine hatte, huschte sie so flink über den Sand, dass er sie nicht einholen konnte. Beide rannten um das Heck des Wracks herum. Die anderen kamen von allen Seiten gelaufen.
    Kesla erreichte als Erste die offene Wüste und erkannte die Gefahr auf einen Blick. Die Elv’en hatten aus Ehrfurcht vor den Toten auf der windabgewandten Seite des Schiffes einen kleinen Unterstand gebaut, um die vier Leichen vor der sengenden Sonne zu schützen.
    Eine dieser Leichen wurde gerade in die Tiefe gezerrt. Vom Dieb waren nur eine schmale weiße Flosse und ein muskulöser Schwanz zu sehen, der hin und her peitschte und den Sand hoch in die Luft schleuderte. Man hörte die dünnen Elv’en Knochen knacken, dann verschwand der Räuber mit dem Leichnam unter der Oberfläche, wo es kühler war. Nur ein Blutfleck blieb zurück.
    Wieder ertönte ein gellender Schrei.
    »Da ist sie!« sagte Hant, der jetzt das Heck umrundet hatte, und streckte die Hand aus.
    Scheschon balancierte unsicher auf einer Sandsteinzunge. Das Gesichtchen war eine Maske des Schreckens.
    »Nein«, sagte Kesla, hielt Hant am Arm fest und winkte auch die anderen zurück. »Nicht bewegen.«
    Hant wollte protestieren, doch schon tauchten aus dem Sand zwei Flossen auf und umkreisten, an einer Düne entlanggleitend, drohend den Felsen.
    »Sandhaie«,

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