Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
Belgans Bedenken waren verschwunden. Was fiel ihm denn nur ein? Der alte Mann verdiente doch größtes Mitgefühl. Vielleicht sollte er ihn sogar in seinem eigenen Zimmer schlafen lassen, um ihn für seine Unfreundlichkeit zu entschädigen.
Knirschend hob sich das Gatter. Die scharfen Spitzen lösten sich aus dem Sandstein. Der Weg war frei.
Belgan eilte auf Dismarum zu und reichte ihm seinen Arm. Der Alte dankte ihm mit einem Lächeln, das nichts als eitel Freundlichkeit ausstrahlte. Belgan lächelte zurück. Froh, sich endlich als wahrhaft gastfreundlich erweisen zu können, führte er Dismarum durch das Tor in den Innenhof.
In diesem Moment glaubte er, aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrzunehmen, eine ungeschlachte Gestalt mit Krallenfingern und gespaltenen Hufen. Dann verschwand die Erscheinung und ließ nur einen durchdringenden Ziegengestank zurück.
Belgan wurde langsamer. Seine Stirn legte sich in Falten. Sein Herz raste wie in Panik. Er hatte einen Fehler begangen, einen verhängnisvollen Fehler. Er strauchelte und wäre fast gestürzt.
Der Alte fing ihn auf und streifte ihn dabei mit seinem Stab. Sofort seufzte Belgan erleichtert auf, alle Ängste waren wie weggeblasen.
Er schüttelte den Kopf über seine eigene Torheit und ging mit seinem Gast auf die Türme der Festung zu. Als sie an den Ställen vorbeikamen, brach dort panisches Gewieher aus. Doch das überhörte er.
Stattdessen streichelte er den Arm des Alten. »Willkommen, Dismarum. Willkommen im Alkazar.«
10
Am zweiten Tag des Marsches durch die Wüste begleitete Joach die Trage mit dem verletzten Richald. Sie waren die Letzten in der Reihe. Kesla führte. Hant ging mit Scheschon auf dem Arm an ihrer Seite. Vor Joach schritten Hand in Hand Kast und Saag wan. Sie waren von Kopf bis Fuß in Mäntel und Tücher gehüllt, sodass nur ihre Finger der Wüstensonne ausgesetzt waren.
Joach legte die Hand über die Augen und spähte zum Himmel. Im Westen stand die Sonne schon fast am Horizont. Bald mussten sie sich einen Platz für ein Nachtlager suchen er konnte es kaum noch erwarten. Alle waren verschwitzt und litten unter Sonnenbrand und quälendem Durst.
Vergangene Nacht hatte Kesla sie zu einem Platz inmitten einzelner Felsblöcke geführt. Im Schutz der Felsen war das Risiko geringer, von den nächtlichen Räubern der Wüste angegriffen zu werden. Als sie das Lager aufschlugen, hatte sie veranlasst, dass die Reste der verbrannten Segel aufgespannt wurden. »Um über Nacht den Tau aufzufangen«, lautete ihre Erklärung.
Ihr Rat hatte sich als gut erwiesen. Am Morgen waren die Töpfe und Pfannen, die man unter die Planen gestellt hatte, mit frischem Wasser gefüllt gewesen. Es hatte nicht ausgereicht, um sich damit den Sand und den getrockneten Schweiß vom Körper zu waschen, aber immerhin hatte jeder ein paar Schlucke zu trinken bekommen und in einer Lederflasche einen kleinen Vorrat mitnehmen können.
Doch der war längst aufgebraucht, als jetzt die Sonne im Westen versank. Joachs Lippen waren aufgesprungen, und seine Zunge fühlte sich an wie ein Stück klebriges Leder. Kesla hatte ihm gezeigt, wie man mit einem Kiesel in der Backe den Durst unterdrücken und den Mund feucht halten konnte, aber er hatte den Stein bald wieder ausgespuckt. Jedes Gelenk, jede Falte seines Körpers war wund gescheuert vom Sand. Der Widerschein des Sonnenlichts auf den Dünen war so grell, dass ihm die Augen wehtaten. Der Marsch schien schon viele Monde zu dauern. Der Sand und die endlosen leeren Himmelsweiten hatten ihn bis in seine Träume verfolgt.
Er war natürlich nicht der Einzige, dem die Strapazen zu schaffen machten. Alle schlurften mit hängenden Köpfen dahin und stöhnten über die Hitze. Die Träger, die Richalds Bahre schleppten, hatten es am schwersten, obwohl der Elv’en Prinz Reste seiner Magik einsetzte, um seinen Körper leichter zu machen und damit die Last zu verringern. Manchmal gönnte Richald den Trägern auch eine kurze Pause und humpelte, das Gesicht von Schmerzen gezeichnet, an einer Krücke durch den Sand. Doch lange hielt er das nicht durch, bevor er sich wieder auf die Trage legen musste.
»Joach?« Es war ein heiseres Flüstern.
Joach wandte sich der Bahre zu, zog sich den Schal vom Gesicht und sah Richald an. Es war das erste Mal, dass der Elv’en Prinz seit dem Absturz der Wilder Adler gesprochen hatte. »Was gibt es, Richald?«
Der Elv’e stützte sich auf einen Ellbogen. »Es tut mir Leid.«
»Was tut dir
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