Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
das Volk der Ödlande.«
»Meister Belgan?« Innsu trat vor und senkte sein Schwert. »Ihr tut ihnen Unrecht. Sie kommen nicht in böser Absicht. Schamane Parthus sagt …«
»Schweig!« schrie die bleiche Gestalt.
Joach bemerkte, dass der junge Meuchler über die Unbeherrschtheit seines Herrn tief erschrocken war. Was ging hier vor?
Nun hinkte die zweite Gestalt, auf einen Stab gestützt, um den Gildemeister herum. Ein Mann mit krummem Rücken in einem seidenen Umhang, der seinen Körper völlig verhüllte. Er beugte sich dicht zu Belgan und flüsterte: »Höre nicht auf den jungen Toren. Er ist eindeutig verblendet von der üblen Magik des Bruders der Hexe.«
Als Joach die leisen Worte hörte, erstarrte er, und sein Blut wurde zu Eis. Diese heisere Stimme kannte er, auch wenn sie nur flüsterte. Mehr als einen halben Winter lang war sie ständig in seinem Kopf gewesen. Seither konnte er sie nicht mehr vergessen. Er wusste, wer da zur Rechten des Gildemeisters stand der Mörder seiner Mutter und seines Vaters. Der Mann, der ihn von der Seite seiner Schwester gerissen und ihn benutzt hatte wie eine Marionette.
Der Dunkelmagiker Greschym.
Die gebeugte Gestalt verschob die Hand auf dem Stab. Belgans Augen leuchteten kurz auf und bekamen einen fiebrigen Glanz. Joach erkannte den Unterjochungsbann, eine Magik, die Greschym besonders gern einsetzte. Nur ließ Belgan sich offenbar nicht so leicht in Besitz nehmen.
Jetzt war Joachs Misstrauen geweckt, und er konnte die dunklen Energien förmlich riechen. Er hatte sich einst selbst in den schwarzen Künsten versucht, nachdem er die Krücke des Dunkelmagikers an sich gebracht hatte. Nun betrachtete er aufmerksam den neuen Stab des Monsters. Er war von oben bis unten mit grünlichen Kristallen besetzt, die auf dem grauen Holz wie Eiterpusteln leuchteten, und erschien ihm noch tödlicher als der alte Poi’holz Stock. Joach merkte, wie sein Blut in Wallung geriet. Er war eingestimmt auf die dunkle Magik und spürte, welche Kräfte dem gebrechlichen Greis aus diesem Werkzeug zuströmten.
Eine Mischung aus Zorn, Angst, Hass und Ekel tobte in der Brust des jungen Mannes. Wenn er den Stab ansah, brannten Abscheu und Verlangen gleich stark in seinem Herzen. Etwas in ihm fühlte sich unwiderstehlich hingezogen zu der Energie, die von dem unheimlichen grauen Ding ausging.
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er konnte sich nicht länger beherrschen und trat vor.
Sofort richtete sich Greschyms Blick auf ihn. Die trüben Augen starrten ihn an. Belustigung, ja, Triumph strahlte aus dem verwüsteten Greisengesicht. Hinter dem Dunkelmagiker erschien ein unförmiges, buckeliges Wesen in der Tür und stieg auf gespaltenen Hufen die drei Stufen herab. Wo der Saum von Greschyms Umhang den Boden berührte, kauerte es sich nieder. Die blanken Äuglein in dem Schweinegesicht mit der flachen Schnauze starrten Joach unverwandt an. Die spitzen Ohren waren kampflustig angelegt.
»Wie gefällt dir mein neues Haustier, Joach?« flüsterte Greschym. »Ich brauchte einen Ersatz, nachdem du mich verlassen hattest.«
Bevor Joach antworten konnte, hob der Dunkelmagiker seinen Stab und berührte den Gildemeister damit an der Schulter.
Belgans Arm zuckte wie an einem Faden gezogen in die Höhe, ein Signal. Auf allen Seiten des Hofes an Fenstern, auf Terrassen, an Türen erschienen Dutzende von Männern und Frauen bewaffnet mit Pfeil und Bogen, Schwertern und Äxten.
Joach trat in die Reihen seiner Gefährten zurück.
Wieder bewegte sich der Stab, und der Arm des Gildemeisters fuhr herab wie eine Axt auf den Hackklotz.
»Tötet sie!« schrie Belgan. »Bringt sie alle um!«
Kesla hatte soeben die Schlucht erreicht, die ins Herz des Alkazars führte, als Belgans Befehl durch die Wüste schallte. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Was ging da vor?
Ein Malluk kam in vollem Galopp aus der Dunkelheit auf sie zugestürmt. Er hatte die Augen so verdreht, dass nur noch das Weiße zu sehen war. Kesla sprang zur Seite und wäre fast unter die Hufe geraten. Das Malluk rannte in die Wüste hinaus, Packsäcke und Zaumzeug flogen nach allen Seiten davon. Sein Treiber rannte laut zeternd und mit erhobener Peitsche hinter ihm her. Er blutete an der Stirn. Das Tier musste ihn abgeworfen haben.
Kesla hielt ihn auf, bevor er an ihr vorbeilaufen konnte. »Was ist los?«
Schon hörte sie Waffen klirren. Männerstimmen schallten aus den Tiefen der Schlucht.
Der Stammesmann schüttelte den Kopf und sprudelte in
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