Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
Angreifern und Verteidigern zu eröffnen. Die anderen sammelten sich hinter dem großen Drachen in einer Ecke des Hofes, nicht weit vom Tor entfernt. Eine kurze Atempause entstand, in der sich beide Seiten neu formierten. Die Nordländer suchten nach einem Weg aus der Festung.
Saag wan wies auf das Eisengatter. »Kannst du die Stangen herausreißen?«
Der Drache schnaubte verächtlich. Kleiner Käfig kann Ragnar’k nicht halten.
Als Ragnar’k sich umdrehte, hörte Saag wan, wie ihr Richald von seiner Trage her etwas zurief. Seine Stimme war zu schwach, wurde aber mit der Magik des Windes zu ihr emporgetragen. »Wo ist Joach? Ich sehe den Jungen nicht.«
Saag wan drehte sich um und suchte die kleine Ecke ab. Der Elv’e hatte Recht. Joach fehlte. Er war wohl im Getümmel abgedrängt worden. Auch als sie sich im Hof umsah, fand sie ihn nicht. Sie richtete sich auf und rief vom Drachenrücken: »Joach!«
Keine Antwort. Ein Pfeil flog pfeifend an ihrem Kopf vorbei. Sie duckte sich tiefer über Ragnar’k. Seine halb geöffneten Schwingen boten ihr Deckung. Da ließ sich von der anderen Seite des Hofes eine Stimme vernehmen. Saag wan kniff die Augen zusammen und entdeckte Kesla auf einem der Balkone. Wie war sie da hinaufgekommen?
»Joach wurde gefangen genommen!« rief die Meuchlerin. Es klang so durchdringend wie der Schrei eines Adlers. »Man hat ihn ins Innere der Festung gebracht! Ich werde versuchen, ihn zu finden, aber hier hat irgendeine dunkle Magik Wurzeln geschlagen.
Flieht in die Wüste! Sucht den Schamanen Parthus! Ich stoße mit Joach zu euch, wenn ich kann!«
Saag wan hob den Arm zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.
Jetzt stand Hant neben dem Drachen und rief hinauf: »Das könnte eine Falle sein. Kesla hat uns in diesen Hinterhalt geführt. Woher wissen wir, dass sie Joach nicht schaden will?«
Innsu, der junge Meuchler, hatte die Worte gehört und widersprach heftig: »Kesla ist keine Verräterin.«
Saag wan wog beide Aussagen gegeneinander ab und sie hatte auch nicht vergessen, wie Kesla Joach auf dem Weg hierher angesehen hatte. Sie hatte in der jungen Frau gelesen wie in einem offenen Buch. Aber man musste wohl selbst eine Frau sein, um die Liebe in den Augen einer anderen zu erkennen. Saag wan richtete sich auf. »Sie würde Joach nicht verraten«, sagte sie entschieden und wandte sich ab. Dann forderte sie Ragnar’k stumm auf, das Tor zu stürmen.
Der Drache knurrte zustimmend, drehte den Kopf und fasste die Stangen mit Reißzähnen so lang wie Saag wans Unterarm. Sie spürte, wie sich seine Muskeln spannten und anschwollen. Das Eisen setzte ihm einen gehörigen Widerstand entgegen. Die Silberklauen gruben sich tief in die Pflastersteine.
Einer der Meuchler nutzte den Moment der Ablenkung und stürmte mit erhobener Axt auf sie zu. Hant jedoch duckte sich unter der Drachenschwinge hindurch und wehrte den Hieb ab. Zwei Äxte trafen klirrend aufeinander. Beide Gegner waren Meister im Umgang mit dieser Waffe aber Hant war nicht mehr frisch. Er rutschte in einer Blutpfütze aus, eine Parade misslang. Der Holzgriff der gegnerischen Axt traf ihn ins Gesicht. Er taumelte zurück.
Der Gegner setzte nach und hob die Axt zum tödlichen Streich.
»Ragnar’k!« schrie Saag wan.
Ich sehe es, Leibgefährtin …
Der Drache fuhr mit einem Ruck die Schwinge aus und rammte sie dem Angreifer in die Seite. Das Krachen der Rippen drang bis zu Saag wan hinauf. Der Meuchler wurde in hohem Bogen über den Hof geschleudert. Hant kam mühsam auf die Beine, wischte sich noch halb benommen das Blut von den Lippen und spuckte einen Zahn aus, der klirrend über die Steine rollte. Dann musterte er die Reihe der Gegner mit drohendem Blick, als wollte er den nächsten zum Kampf herausfordern.
Niemand ging darauf ein. Offenbar waren alle bereit, die Fremden ziehen zu lassen.
Ein Knirschen war zu hören, Eisen schrammte über Stein. Saag wan schaute zum Tor zurück. Das Fallgatter und ein Teil des Gitters darüber lösten sich aus dem Fels. Mit einer letzten Anstrengung riss Ragnar’k das Gatter vollends aus der Verankerung und schleuderte es in den Hof, wo es klappernd über die blutigen Pflastersteine hüpfte.
Nun war der Weg frei. Saag wan winkte die Gruppe nach vorn. Sie wollte den anderen mit Ragnar’k den Rücken decken.
Vor dem Tor kümmerten sich einige der Stammesleute, die sie von Oo’schal hierher begleitet hatten, um die Verletzten. Ein Mann trat vor und erklärte mit einem respektvollen Blick
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