Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
strebten weiter dem grauen Holz entgegen. Die Anziehungskraft war unwiderstehlich. Ein Schrei entstand in den Tiefen seines Herzens. Er wusste, dass ihn nur ein Lidschlag von der völligen Auslöschung trennte. Sobald er das Holz berührte, wäre alles verloren.
Ein wildes Heulen brach den dunklen Bann. Joachs Blick zuckte zur Seite. Blind vor Blutgier und Hunger, unfähig, dem saftigen Happen vor seinen Augen zu widerstehen, machte das Ungeheuer zu Greschyms Füßen einen Satz und schnappte nach den blutigen Fingern. Joachs Hand verschwand bis zum Gelenk in seinem breiten Maul; messerscharfe Zähne schlugen sich ins Fleisch und zermalmten die Knochen.
Joach wich zurück, aber das Wesen ließ nicht los, sondern riss an seinem Arm wie ein Hund, der um einen Knochen kämpft.
»Nein, Ruhack!« kreischte Greschym in hilfloser Wut und versetzte seinem Diener einen Schlag mit dem Stock. Ruhack wurde durch die Luft geschleudert, prallte hart von der Mauer ab und blieb, zusammengerollt zu einer Kugel, leise winselnd auf dem Pflaster liegen.
Wo ihn der Stab berührt hatte, war sein Fleisch verschmort und qualmte.
Joach wurde von dem Magik Stoß nach hinten gegen seine Bewacher geschleudert, fiel auf die Knie zurück und hob den Arm. Aus dem Stumpf spritzte eine Blutfontäne. Er hatte die ganze Hand verloren.
Einer der Meuchler band ihm rasch mit einem Stück Schnur den Oberarm ab, um die Blutung zum Stehen zu bringen. Joach wurde schwarz vor den Augen. Er fiel auf die Steine, landete auf der heilen Schulter und rollte so weit herum, dass er in den Hof sehen konnte. Die Kämpfe tobten noch: Blut, blitzender Stahl, Schreie, reglose Leichen, Verwundete, die mühsam umherkrochen.
Inmitten des Chaos entstand ein schwarzer Schatten, der immer größer wurde. Joach drängte Schmerz und Schock zurück und konzentrierte sich darauf. Aus der dunklen Wolke formte sich ein großer geflügelter Drache, der mitten im Hof hockte und seinen Zorn hinausbrüllte.
Ragnar’k …
»Hebt den Jungen auf!« schrie Greschym wütend. »Bringt ihn in die Festung!«
Die Bewacher zögerten. Joach drehte den Kopf. Greschym deutete auf den bleichen, hoch gewachsenen Mann, der die ganze Zeit über so reglos wie eine Statue neben ihm gestanden hatte. Nun wandte er sich den Jägern zu wie eine Marionette, die man an den Fäden zog, und krächzte: »Nehmt den Jungen mit!«
»Jawohl, Meister Belgan.«
Die beiden kräftigen Männer zerrten Joach auf die Beine und nahmen ihn zwischen sich.
Greschym schlurfte vor ihnen zurück in die dunkle Burg. Das Ungeheuer schlich hinter seinem Herrn her wie ein geprügelter Hund.
Bevor Joach über die Schwelle geschleppt wurde, drehte er sich noch einmal um und sah, wie Ragnar’k sich auf die Verteidiger des Alkazars stürzte, sie auseinander trieb und vorwärts stürmte.
Doch für ihn kam die Rettung zu spät. Widerstandslos verschwand er in den Tiefen der Burg. Vor ihm leuchtete Greschyms Stab durch das Dunkel. Hinter ihm kehrten die aufgebrochenen Türen an ihren Platz zurück und fielen krachend zu, als würde ein Sargdeckel geschlossen.
Saag wan saß auf ihrem Drachen. Das große Tier war zwar mit seiner verletzten Schwinge nicht fähig, den engen Hof im Flug zu verlassen, aber es konnte die Gefährten verteidigen, die rasch an Boden verloren. Bisher hatten sie dem Angriff mit Magik und Körperkraft standhalten können, aber beides war nicht unerschöpflich. Bei so vielen Gegnern war es nur eine Frage der Zeit, bis die kleine Gruppe von der Übermacht schlicht überrannt werden würde.
Die Situation hatte Saag wan keine Wahl gelassen, sie hatte den Drachen rufen müssen. Sie und Kast hatten bis zu diesem Moment gezögert in der Hoffnung, die Bewohner des Alkazars würden doch noch zur Vernunft kommen , denn war der schwarze Drache erst freigesetzt, würde es noch schwerer fallen, die Verteidiger der Festung zu überzeugen, dass sie keine Schergen des Schwarzen Herzens waren.
Diese Befürchtung bewahrheitete sich nun rasch. Das jähe Auftauchen des Drachen löste allgemeine Panik aus. Alles rannte davon. Wer zu langsam war, wurde niedergetrampelt. Zurück blieben die tapfersten und die fähigsten Krieger, und sie kämpften mit noch größerer Verbissenheit. Damit war so gut wie jede Chance dahin, das Vertrauen des Alkazars zu gewinnen. Das Heil lag eher in der Flucht. Sie mussten es mit den Gefahren der Wüste aufnehmen.
Ragnar’k setzte Schwingen, Klauen und Zähne ein, um eine Gasse zwischen
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