Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
Fußbodendielen erzittern. Elena musste sich am Thron festhalten, um nicht umzufallen.
Ein Blick über die Lehne zeigte Er’ril, wovon sie unterbrochen worden waren. Ein großes Boot war mit der Breitseite gegen die Sturmpforte geprallt. Elv’en eilten an die Öffnung, warfen Taue hinüber und riefen Kommandos. Rauch und Dampf quollen in dichten Wolken aus dem beschädigten Schiff. Dennoch erkannte Er’ril am Heck Tol’chuks massige Gestalt.
Die Winde rissen an dem schaukelnden Boot. Prinz Typhon zerrte mit aller Kraft an einem Tau und rief ihnen zu: »Das Boot hat angelegt! Wir müssen eure Sachen einladen!«
Er’ril sah, dass Wennar bereits auf die Kisten zueilte. Der Zwerg konnte den Stapel nicht allein bewältigen. Der Präriemann zögerte.
»Geh nur!« ermunterte ihn Elena. »Bringt alles an Bord. Ich mache noch diesen einen Versuch, dann kommen wir nach.«
»Wir haben nicht viel Zeit.«
»Darum widersprich mir nicht. Geh!«
Er’ril verharrte noch einen Augenblick und sah sie fest an. Sie hielt seinem Blick eisern stand. Ihre Haltung wurde erst weicher, als sie seine Bestürzung erkannte. »Geh«, sagte sie leise, aber entschieden. »Mir geschieht schon nichts.«
Er’ril wandte sich ab. Er hatte ihre Hand errungen, doch Elena würde ihre Entscheidungen immer allein treffen und wenn er ganz ehrlich war, dann wollte er es auch gar nicht anders haben.
Er verwahrte das Buch des Blutes unter seinem Hemd und eilte mit den anderen zum Boot.
Elena blieb mit Mama Freda allein bei Königin Tratal zurück und machte sich erneut ans Werk. Sie hob die Hand der Königin und drückte deren blutigen Finger an ihren eigenen. Aus beiden Dolchwunden quoll immer noch frisches Blut.
Mama Freda wich ihr nicht von der Seite. »Vorsichtig, Kind.« Elena hörte kaum, was die Heilerin sagte. Sie lauschte dem Lied ihrer Magik. Seit sie ihre Kunst ausübte, kannte sie zwar die Schwingungen ihrer eigenen Macht, aber wenn es wie hier darum ging, etwas von ihrer Magik in ein anderes Wesen einfließen zu lassen, war die Kontrolle der Ströme besonders wichtig. Ein Quäntchen zu viel Energie, und Königin Tratal würde zu Asche verbrennen.
Elena spürte, wie ihr Bewusstsein über die Blutverbindung in die reglose Gestalt eindrang. Sie hatte das schon mehrfach erlebt bei Onkel Bol, bei Flint, bei Er’ril , doch auf das, was sie im Inneren der Elv’en Königin vorfand, war sie nicht gefasst.
Sturmwinde packten ihren Geist und drohten ihn aus ihrem Körper zu reißen. Elena zog mehr von ihrer eigenen Energie ab, um sich gegen die Strudel abzugrenzen. Sie war von wirbelnden schwarzen Wolken umgeben; silbrige Blitze zuckten auf. In diesem Moment begriff sie, dass sie sich nicht in Tratal befand jedenfalls nicht in deren Körper aus Fleisch und Blut.
Stattdessen war sie in den Sturm jenseits der Stadt geraten. Die Königin und der Sturm waren eins geworden und nun war auch noch Elena dazugekommen.
Sie hüllte sich in ihre Magik wie in einen Umhang und setzte ihre ganze Kraft ein, um nicht fortgerissen zu werden. Lange konnte sie nicht bleiben.
Schon jetzt fiel es ihr schwer, die schwache Verbindung nicht mehr als ein Fädchen im Wirbelwind zu ihrem Körper im Thronsaal im Auge zu behalten.
Während sie so im Sturm schwebte, ahnte sie ringsum ein unendliches Gespinst aus noch dünneren Fäden, das sich in alle Richtungen erstreckte. Sie saß wie in einem riesigen Netz, und sie begriff, was sie da draußen, inmitten des Sturmes erspürte. Es war Leben die Verbindung sämtlicher Lebewesen zu einem endlosen Gewebe aus Energie und Macht. Elena sehnte sich danach, dem Netz nach außen zu folgen. Es rief sie wie aus zahllosen Kehlen. Aber dafür reichten nicht einmal ihre Kräfte aus. Sie würde sich verlieren in diesem riesigen Gebilde, ein Stäubchen in der Unendlichkeit des Daseins.
So konzentrierte sie sich lieber auf den einzelnen Faden ganz in ihrer Nähe jenen Faden, der den Sturm mit dem Körper der Königin verband.
Endlich spürte sie, wie sich zwei Augen auf sie richteten. Der eisige Blick war ihr wohl vertraut. Königin Tratal. Sie musste Elenas Gegenwart bemerkt haben. Elena vernahm im Geheul des Windes Worte. »Geh, Kind. Dies ist mein Kampf.«
Elena erkannte, aus Wolken und Energie geformt, die Gestalt einer Frau, die in rasendem Tanz um sie herumwirbelte. »Du stirbst«, schrie sie in den Wind hinein.
»Und wenn schon. Der Tod ist nicht das Ende, und indem ich mit meinem Geist den Sturm verstärke, indem ich
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