Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
vollkommen darin aufgehe, kann ich viele meiner Untertanen retten.«
Elena sah Bilder entstehen. Die Wolkenfrau schloss die verwüstete Stadt in ihre Arme, drückte sie an ihre Brust und trug sie schneller über die Vulkangipfel, sodass sie nicht mehr so leicht zu treffen war. Und sie begriff. Königin Tratal wollte sich für ihr Volk opfern.
»Ich kann dir helfen«, flehte Elena. »Du brauchst nicht alle deine Lebensenergie zu verschwenden. Ich gebe dir etwas von meiner Magik ab!«
Die Frau in den Wolken lächelte müde. »Du bist wahrlich König Belarions Kind.« Der dünne Faden zum Körper der Königin und zum Thronsaal leuchtete auf. »Aber die Verbindung ist zu schwach. Die Energiemenge, die etwas bewirken könnte, würde sie verbrennen, und dann wärst du für immer mit mir in diesem Sturm gefangen. Ich werde nicht zulassen, dass du dich in diese Gefahr begibst.«
Elena erkannte, dass sie Recht hatte. Schon die geringen Energien, die sie brauchte, um sich abzugrenzen, bedrohte den dünnen Faden. »Aber was wird aus dir?«
»Fort mit dir, Kind. Das ist mein Kampf.«
Heftige Böen erfassten Elena und drängten sie zum Anfang des Fadens zurück. Zunächst wehrte sie sich noch und wollte nicht aufgeben. Doch die Energie, die sie dafür aufwendete, fraß an der Verbindung, bis nur noch ein hauchdünnes Fäserchen übrig war. Sie musste einsehen, dass ihre Bemühungen vergeblich waren, ergab sich den Winden und überließ sich dem Sturm.
Sie wurde durch Königin Tratals Körper hindurchgetragen, und da zerriss der dünne Faden, der die Königin im Audienzsaal mit dem Sturm verband. Als Elena in ihren eigenen Körper zurückfiel, spürte sie Tratals letzten Herzschlag.
Ihre Kräfte verließen sie, sie drohte umzusinken.
Mama Freda fing sie auf. »Du bist in Sicherheit, Kind hier kann dir nichts mehr geschehen.«
»Die Königin …?« fragte sie leise.
»Sie ist nicht mehr.«
Elena zog sich an der Armlehne des Thronsessels in die Höhe. Auf dem Sitz lag nur noch Königin Tratals Hemd. Ihr Körper war verschwunden.
Plötzlich tauchte Typhon auf der anderen Seite des Throns auf, stolperte und fiel auf die Knie. Beim Anblick des leeren Sitzes liefen ihm die Tränen über die Wangen. »Sie hat sich ganz und gar dem Sturm ergeben«, klagte er.
Elena nickte. »Sie will mit ihrer Energie die Stadt schneller über das Land Gul’gotha tragen, um ihren Untertanen mehr Zeit zur Flucht zu verschaffen.«
Wennar tauchte hinter Typhon auf. »Dann müssen wir uns beeilen. Wir haben die Bergwerke meines Volkes bereits überflogen.«
Mama Freda half Elena aufzustehen.
»Unsere Sachen sind verstaut«, fuhr der Zwergenhauptmann fort und trat zurück. »Wir müssen aufbrechen.«
Typhon stand auf und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich werde das Boot selbst steuern. Ich weiß, wie die Königin darüber denkt sie will, dass ich euch sicher ans Ziel bringe.«
Ein hoch gewachsener Elv’e trat vor und legte dem Prinzen die Hand auf die Schulter. Er’ril begleitete ihn. Elena erkannte die strengen Züge. Es war Jerrick, der Kapitän der Sonnenjäger. Sein Gesicht war von Ruß verschmiert, sein Haar und seine Kleidung trieften vor Nässe. »Nein. Das erlaube ich nicht, Prinz Typhon. Dein Platz ist hier.«
»Aber der Befehl der Königin …«
»Die Königin weilt nicht mehr unter uns. Ihre beiden Söhne sind auf dem Weg zu entgegengesetzten Enden der Welt. Du bist in der Thronfolge der Nächste. Du musst die Regentschaft übernehmen, bis einer von ihnen zurückkehrt.«
Typhons Augen weiteten sich entsetzt.
Jerrick packte die Schulter des Prinzen fester. »Du musst unser Volk von Sturmhaven wegführen.«
»Ich … ich kann nicht …«
»Du musst.«
Elena verstand seinen Schmerz, seinen Schock die unerwartete Macht, die Last der Verantwortung.
»Hol dir deine geliebte Mela«, fuhr Jerrick fort, »und führe so viele Elv’en aus der Stadt, wie du nur kannst. Sie werden sich in alle Winde verstreuen wie Samenkörner. Du musst für sie alle einen sicheren Hafen finden, wo sie landen können.«
»Aber was wird aus Elena und ihren Gefährten?«
»Um sie kümmere ich mich selbst. Das ist meine Pflicht als Kapitän. Deine Pflicht liegt hier.«
Elena sah, wie der junge Prinz unter dem schweren Mantel seiner neuen Autorität in die Knie ging. Sie dachte schon, er würde zusammenbrechen, doch dann richtete er sich auf. Sein Blick war von Schmerz und Kummer überschattet, aber er nickte. »Bring du sie an Bord. Ich
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