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Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Titel: Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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Schulter. Der Holzschnitzer stand, auf seinen Krückstock gestützt, in der Tür. Die Erinnerung an den Tag, an dem sie ihren Gefährten verlassen hatte, war jetzt so lebhaft, als wären seitdem nicht fünfzehn Winter vergangen, sondern nur ein einziger Mond. Damals war ihr Baum äußerlich noch unversehrt gewesen.
    Als sie sich nun der kleinen Höhle und ihrem Inhalt zuwandte, zitterte sie vor Angst.
    »Der Baum hatte wohl geahnt, dass dies seine letzte Blüte sein würde«, sagte Rodricko leise, »und so schickte er noch einen Ruf aus, bevor er starb. Ein letztes Mal.«
    Ni’lahn hörte kaum, was er sagte, und auch Mikelas Frage ging an ihr vorüber.
    »Wie ist das zu verstehen?« wollte die Schwertkämpferin wissen.
    »Wenn die Blüten eines Koa’kona bereit sind, Samen hervorzubringen, ruft der Baum einen anderen Geist, eine Schwester, und bittet sie, ihren Baum für kurze Zeit zu verlassen und seine Seele mit ihrer Seele zu berühren. Auch Ni’lahns Baum rief nach jemandem, der sich mit ihm vereinigen sollte.«
    »Aber es gab keine Nyphai mehr«, sagte Mikela.
    Rodricko senkte die Stimme. »Das ist nicht wahr. Die Grim mögen krank sein, aber sie sind immer noch Nyphai. Eine von ihnen hatte seinen Ruf gehört. Sie überwand ihren Schmerz und erfüllte ihm den letzten Wunsch.«
    »Soll das heißen, einer der Grim hätte sich mit Ni’lahns Baum vereinigt?«
    Rodricko versagte die Stimme. »Es war Cäcilia, die Hüterin«, stieß er hervor. »Sie war erst kurz zuvor der Fäule zum Opfer gefallen und noch nicht im Wahnsinn erstarrt. So kam sie und berührte mit ihrer Seele die Seele des Baumes, damit seine letzte Blüte einen Samen bilden konnte.«
    »Süße Mutter«, sagte Tyrus. »Und was geschah dann?«
    Ni’lahn starrte in das Loch. Die Antwort lag in der Höhle ein kleines Kind. Woher der Lichtschein kam, war nicht schwer zu erkennen. Da, wo bei einem menschlichen Säugling der Nabel gewesen wäre, ragte ein pflaumengroßes purpurnes Samenkorn aus seinem Bauch hervor. Ni’lahn streckte die Hand aus, aber sie wagte weder den Sämling noch das Kind zu berühren. Es hat gekeimt, schoss es ihr durch den Kopf.
    Rodricko fuhr fort. »Aus dem befruchteten Samen ging eine neue Nyphai hervor. Normalerweise hätten der Baum und seine Gefährtin die kleine Schwester genährt, bis sie stark genug ist, ihren Samen zu pflanzen und so mit einem neuen Koa’kona Baum den Wald zu vergrößern. Doch hier ist … wohl ein Fehler unterlaufen.«
    Ni’lahn sah es nur zu deutlich. Der Keimvorgang schien normal vonstatten gegangen zu sein. Alle Nyphai wuchsen, genau wie die Bäume selbst, nur langsam aus ihren Samen heraus. Und dieses Kind, so klein es auch aussah, war für sein Alter von erst vierzehn Wintern gut entwickelt. Aber Rodricko hatte völlig Recht hier war ein ganz entsetzlicher Fehler unterlaufen.
    Rodricko sprach weiter. »Ich weiß nicht, was geschehen ist … oder was das alles zu bedeuten hat. Vielleicht liegt es daran, dass die Vereinigung mit einem Grim stattfand, einem kranken, vergifteten Geist. Ich habe wirklich keine Ahnung.«
    »Was stimmt denn eigentlich nicht?« fragte Mikela.
    Ni’lahn wandte sich von der Säule ab. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. »Die neue Nyphai … ist ein Knabe.« Am nächsten Morgen stieg Kral die Treppe zu der Stube mit der Feuerstelle hinab. Erst der Duft nach frischem Brot und brutzelndem Schweinefleisch hatte ihn verführen können, unter der Bettdecke aus Gänsedaunen hervorzukriechen und sein ruhiges Zimmer zu verlassen.
    Nach fast einem halben Winter auf Wanderschaft, wo ihm der harte Waldboden als Liegestatt und sein Bündel als Kopfkissen dienen mussten, hatte er bis weit in den Morgen hinein tief und fest geschlafen.
    Er war tatsächlich der Letzte. Alle anderen saßen bereits um einen großen Tisch herum, der mit Brot, Früchten, gekochten Eiern und Fleisch reich gedeckt war. An der hinteren Wand türmte sich ein Stapel Reisekleidung: Handschuhe aus Fuchsfell, warme Umhänge mit Kapuzen und Hermelinfutter, dazu etliche Stücke geräuchertes und gedörrtes Rindfleisch und einige Käselaibe.
    Dann bemerkte ihn Mikela. Die kleine Schlange an ihrem Arm zischte ihn an und rollte sich wieder zusammen. »Setz dich, Kral, und iss. Es gibt eine Menge zu besprechen und zu planen.«
    Er nickte. Die Düfte umschmeichelten seine Nase. Sein Magen knurrte erwartungsvoll. Er nahm Platz, und Rodricko goss ihm heißen Kaffee in einen irdenen Becher.
    »Ich habe mich

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