Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
schüttelte seine Hand ab. »Ich habe wie Schiron die Magik der Wüste im Blut, und sie ist stark genug, um zu heilen, was von der Verderbnis berührt wurde.«
»Aber du bist doch real«, sagte Joach. Er fasste nach ihrem Handgelenk und drückte es. »Du bist aus Fleisch und Blut. Wen kümmert es, ob du von einem Mann gezeugt und von einer Frau geboren wurdest?«
Sie sah zu ihm auf. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. »Mich kümmert es.« Sie machte sich aus seinem Griff frei. »Und auch dich wird es kümmern … irgendwann.«
»Niemals«, beteuerte er. Was konnte er nur tun, um die Verzweiflung aus ihrer Stimme zu vertreiben?
Doch sie hatte sich bereits abgewandt und ging auf den Basilisken zu. »Ich weiß jetzt, wie ich das Wehrtor zerstören kann. Mein Blut wird den Sand von seinem Gift reinwaschen.« Sie blieb vor der großen Steinskulptur stehen und sah ihr fest in die hasserfüllten roten Augen. »Ich weiß, wozu ich hier bin.«
Joach eilte ihr nach. »Kesla, nicht. Die Wehrtore …«
Sie hob die blutige Hand und legte sie an die gefiederte Steinbrust des Basilisken. Sie versank in dem harten Stein wie in einem Schatten.
»Kesla!«
Sie sah sich nach ihm um. Angst und Entsetzen spiegelten sich in ihrem Gesicht. »Joach!«
Er stürzte sich auf sie und bekam ihren Umhang zu fassen. Seine Finger krallten sich in das schwere Tuch. Aber Kesla fiel dennoch vornüber, als würde sie in den Stein gezogen. Sie sank in das Wehrtor und war verschwunden. Ihr Schrei entfernte sich immer weiter, als stürze sie in einen bodenlosen Schacht.
Joach hatte den Umhang nicht losgelassen. Der Rest ihrer Kleider lag als zerknittertes Häufchen zu Füßen der Statue. Nun ließ er auch den Umhang fallen und streckte, bereit, ihr zu folgen, die Hand nach dem Basilisken aus. Doch er spürte nichts als kalten Stein. Vergeblich tastete er mit den Fingern darüber, um einen Weg ins Innere zu finden. Der Basilisk starrte nur kalt und drohend auf ihn herab.
Sie war fort.
Joach sank auf die Knie. »Kesla!«
Etwas raschelte leise im Sand. Er horchte auf. Saag wan schnappte nach Luft. Joach sah, wie sich die Schwarzsteinkreatur langsam entrollte, sich streckte und über den Boden glitt. Die rubinroten Augen richteten sich auf Joach. Er erkannte das Dunkelfeuer darin.
Der Basilisk von Tular war wieder zum Leben erwacht.
SIEBTES BUCH
Gul’gotha
21
Er’ril stand auf einem Felsvorsprung über der Schlucht und blickte nach Norden und nach Süden. Hinter ihm ging die Sonne unter. Tief unten wälzte sich ein Fluss aus geschmolzenem Gestein. Seine Hitze war so groß, dass Er’ril sie noch hier oben im Gesicht spürte. Die Schlucht erstreckte sich meilenweit nach beiden Seiten. Das Zwergenreich lag gleich dahinter, aber der Weg endete hier.
Sie hatten Kundschafter in beide Richtungen ausgeschickt, die nach einem Weg über den Abgrund suchen sollten. Dann hatten sie ein Nachtlager aufgeschlagen und warteten nun auf ihre Rückkehr.
Er’ril runzelte die Stirn und zog sich zurück, da ihm die Hitze zu viel wurde. Sie waren vor sechs Tagen mit dem Elv’en Boot gelandet und zu Fuß weitergegangen, ein beschwerlicher Marsch voller Gefahren. In diesem Land waren die Flüsse vergiftet und die Winde von ätzendem Rauch verpestet, und es gab weite Ödflächen, auf denen kein einziger Grashalm wuchs. Und jetzt dieses unpassierbare Lavastromtal. Er’ril sah sich um. So weit das Auge reichte, nichts als Berge, schroffe Gipfel und tief eingeschnittene Schluchten. Sie lagerten wie zwischen den scharfen Zähnen im Maul eines Ungeheuers.
Als Er’ril sich dem Lager näherte, sah er Elena bei Tol’chuk und Mama Freda knien. Die alte Frau wechselte den Verband am Bein des Elv’en Kapitäns, während Tol’chuk den Fiebernden festhielt. Elena sah besorgt zu. Vor zwei Tagen war Jerrick einem Tigerzahnbusch zu nahe gekommen. Der Busch hatte mit seinen Ranken ausgeschlagen und ihm die fingerlangen Dornen ins Fleisch gebohrt. Wennar hatte ihn zwar mit seiner Axt befreit, aber die Wunden hatten zu eitern begonnen.
»Wie geht es Jerrick?« fragte Er’ril, als er das Lager betrat.
Mama Freda wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Der Weidenrindenabsud ist nicht stark genug, um die Macht des Giftes zu brechen.« Sie legte die Finger auf das Handgelenk des Elv’en und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er bis morgen früh durchhält.« Ihre Stimme zitterte. Sie ließ die Hand des Kapitäns nicht los. Mama Freda und Jerrick,
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