Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
lange über den Karten der Westlichen Marken gebrütet, bis sie den Namen fanden: ein Berg am Zusammenfluss zweier Wasserläufe.
Jetzt folgten sie einem Silberfaden durch das dichte Grün. Der schmale Fluss mit Namen Weidenbach schlängelte sich hier mitten durch das Herz des Waldes. Wo er sich mit dem von Norden kommenden Eisfluss vereinigte, lag ihr Ziel.
Merik richtete den Blick zum Horizont und nahm instinktiv kleinere Kurskorrekturen vor, um über dem Flusslauf zu bleiben. Weit vor ihm tauchte ein Schatten auf, eine einzelne schwarze Gewitterwolke, die über dem Wald schwebte.
»Ist das die Stelle?« fragte eine Stimme hinter ihm. Es war Tok, sein ständiger Begleiter. Merik hatte den Schiffsjungen, der neben ihm auf einem Ölfässchen gesessen hatte, ganz vergessen.
Die Frage holte den Elv’en jäh auf die Schiffsplanken zurück. »Ich denke schon«, sagte er mit schwerer Zunge. Er hob die Hand und gab den Männern in der Takelage ein Zeichen. Die Segel wurden umgestellt. »Bis zum Abend sollten wir dort sein.«
»Soll ich Xin Bescheid sagen?« Tok sprang so hastig auf, dass er mit dem Absatz über die Planken schrammte.
Merik spürte es wie ein Jucken auf der Haut. »Ja, er ruht sich mit seinen beiden Stammesgenossen in seiner Kabine aus.« Das kurze Gespräch mit Mikela hatte den Zo’ol erschöpft. Als er Merik die Meldung brachte, hatte er sich kaum noch auf den Beinen halten können, seine Augen waren blutunterlaufen und seine Lider geschwollen gewesen. »Wenn der Schamane sich erholt hat, soll er versuchen, die anderen noch einmal zu rufen.«
Tok nickte und trottete davon. Merik beobachtete, wie der Schatten am Horizont langsam konkret wurde. Vor dem Schein der untergehenden Sonne ragte ein Berg mit schroffen Felswänden wie ein drohender Finger gen Himmel. Da der ferne Gipfel näher kam, entzog Merik dem Eisenkiel ein wenig von seiner Magik und ließ das Schiff auf die Bäume zu sinken.
Er konzentrierte sich mit allen Sinnen auf das feine Zusammenspiel von Magik und Wind. Als die drei Zo’ol und Tok an ihn herantraten, spürte er sie mehr, als dass er sie sah.
»Sie waren bereits auf dem Weg zu dir«, erklärte Tok. »Aber ich habe ihnen deinen Wunsch ausgerichtet.«
Merik drehte sich um und nickte den drei Stammesleuten zu. Der Schamane erwiderte den Gruß. Die Narbe auf seiner Stirn, die Rune eines sich öffnenden Auges, schien förmlich zu glühen. Auch seine wirklichen Augen leuchteten. Er war offenbar wieder ganz bei Kräften. »Konntest du Mikela noch einmal erreichen?«
Xin schüttelte den Kopf und trat an die Reling. Er wirkte zerstreut. »Nein. Wenn sie sprechen will, muss sie die Münze in die Hand nehmen und es sich wünschen«, sagte er abwehrend. »Alles ist still.«
Merik hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Er wandte sich wieder dem Horizont zu. Der Steinkogel war in der kurzen Zeit erheblich größer geworden. Merik veranlasste weitere Korrekturen, dann wandte er sich wieder den anderen zu. »Wir sind bald da. Haltet euch bereit.«
»Es ist zu spät.« Xin drehte sich zu Merik um. Angst stand in seinem Blick. »Ich war ein Narr. Zu schwach. Erst jetzt kann ich es hören.«
»Was meinst du?« Meriks Befürchtungen verstärkten sich.
Der Schamane berührte die Narbe auf seiner Stirn. »Da draußen sind andere Augen. Ich kann sie spüren. Zornige Wesen mit bösen, abartigen Neigungen, die einen erschauern lassen.«
Merik runzelte die Stirn. »Wo?«
»Sie achten nicht auf uns. Aber ich spüre, dass auch sie dem hohen Stein zustreben. Sie nähern sich ihm so rasch, wie wir fliegen.«
Merik starrte auf den Wald hinab. Er sah nur eine gleichförmige grüne Fläche, aber er zweifelte nicht an der Fähigkeit des Schamanen, das Blätterdach zu durchdringen und zu erspüren, was darunter vorging. Xin hatte diese Gabe schon früher unter Beweis gestellt. »Werden wir es rechtzeitig schaffen?« fragte Merik.
Xin sah zu ihm auf. Seine Augen waren besorgt zusammengekniffen. »Wir müssen schneller fliegen.«
Merik verließ sich auf das Wort des Schamanen. »Ich werde es versuchen.«
Er wandte sich wieder der Reling zu und schickte eine Spur von Magik aus nicht an das Schiff gerichtet, sondern an den Himmel. Er wollte die Winde rufen, um seine Segel zu füllen, doch da er seine Aufmerksamkeit zwischen dem Schiff und dem Himmel teilen musste, war dies ein Unterfangen, das selbst seine beachtlichen Fähigkeiten bis an die Grenzen forderte. Bläuliche Energieströme fuhren knisternd
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