Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
Körper zurück, und ich war endlich wieder eins mit mir.«
Mogwied ließ sich gegen die Wand des Wagens sinken. »Wenigstens ein kleiner Lichtblick. Du bist wieder eins mit dir, gerade rechtzeitig, um dich von unseren Feinden foltern und töten zu lassen.«
»Mag sein. Aber ich habe einen Ruf ausgeschickt einen Hilferuf. Für einen kurzen Moment erblickte ich einen anderen Ort: Segel, das Meer und den Elv’en Merik … Er trägt meine Laute noch immer bei sich und beschützt das Herz meines Geistbaumes. Solange es die Laute gibt, besteht noch Hoffnung.«
»Für dich vielleicht. Wenn ich sterbe, komme ich nicht wieder.«
Ni’lahn schien ihn nicht gehört zu haben. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet, als sie fortfuhr: »Die Bäume des Waldes flüstern von dem geflügelten schwarzen Ungeheuer, das unser Lager überfiel. Es lebt in einem steinernen Tor unweit des Nordwalls. Ich höre sogar leise Gerüchte von einer zweiten Bestie im tiefen Süden. Am Südwall steht noch so ein schwarzes Monster. Seine Nähe genügt, um die Bäume aufschreien zu lassen.« Ni’lahn sah Mogwied an. »Diese Tore müssen zerstört werden.«
»Warum?« fragte Mogwied müde.
Ni’lahn wandte den Blick wieder ab. »Ich ich weiß es nicht genau. Aber sie bedrohen das Land in seinem innersten Wesen. Sie haben die Macht, die Welt zu ersticken.«
Mogwied überlief ein Schauer. »Was können wir denn tun?«
Ni’lahn zog sich wieder in sich selbst zurück. »Es gibt nur eine Hoffnung.«
»Und die wäre?«
»Die Grim von den Furchthöhen.«
Mogwied richtete sich auf. »Die Blutgespenster? Die Schattengeister jenes schwarzen, grässlich entstellten Waldes? Bist du wahnsinnig? Wie können diese Bestien uns helfen?«
»Ich muss sie überzeugen.«
»Wovon? Und wie? Sie dienen dem Herrn der Dunklen Mächte.«
Ni’lahn schüttelte den Kopf. »Nein. Es sind wilde Geschöpfe, und das Schwarze Herz macht sich ihre Triebe zunutze. Aber beherrschen lassen sich die Grim Geister von niemandem.«
»Wie kannst du dann hoffen, dass sie dir helfen?«
Ni’lahn schwieg lange. »Sie werden auf mich hören«, sagte sie endlich mit tiefem Schmerz in der Stimme.
Mogwied gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. »Warum?«
»Weil das Land eine grausame Herrin ist«, gab sie flüsternd zurück. Dann beendete sie das Gespräch und drehte ihm den Rücken zu. Von nun an blieb sie wieder so stumm wie damals, als sie sie gefunden hatten.
Gegen Mittag stand Mikela vor drei frisch aufgeworfenen Erdhügeln und lehnte sich auf den Spaten, mit dem sie die Gräber ausgehoben hatte. Das verwüstete Lager war kein sicherer Ort schon kreisten die Geier am Himmel und riefen alle zum Festmahl. Bald würden sich auch andere Raubtiere einfinden, und deren Zähnen und Klauen konnte Mikela ihre Schwertschwestern nicht überlassen. Schließlich hatte sie einst mit den dreien den Treueid geleistet.
Mikela schaute zum Himmel. Die Sonne machte sich eben erst an den Abstieg zum westlichen Horizont. Noch konnte sie ein gutes Stück Wegs zurücklegen, bevor die Nacht hereinbrach. Sie ließ den Spaten fallen und sank vor den Gräbern auf die Knie. Der Duft nach frischer Erde überdeckte beinahe den Gestank nach Blut und Eingeweiden, den die Pferdekadaver verströmten. Sie senkte den Kopf. »Es tut mir Leid, meine Schwestern. Geht in Frieden. Sucht unseren Herrn, König Ry, und sagt ihm, ich werde den Tod seines Sohnes rächen.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte ein zweites Mal ihren Eid gebrochen. Zuerst hatte sie den Ruf nicht vernommen, als Burg Mryl von den Zwergen bedrängt wurde, und nun hatte sie den letzten Prinzen des Nordwalls in den Tod geführt.
Sie griff in eine Tasche des geborgten Lederanzugs und holte die Silbermünze heraus. Der Schneeleopard schien sie vorwurfsvoll anzufunkeln. Sie schloss die Faust um die Münze. »Ich werde eure Mörder jagen und mit ihren Leichen ein Feuer der Rache entzünden, auf dass der Rauch aufsteige zu euch allen. Das schwöre ich.«
Ein Kribbeln im Nacken verriet ihr, dass jemand hinter ihr war. Sie drehte sich um und sah Ferndal am Waldrand stehen. Sie hatte ihn ausgeschickt, nach Spuren der Angreifer zu suchen, während sie die Gräber aushob. Seine Augen glühten wie geschmolzener Bernstein. Er sandte ein Bild von einem Waldpfad, nur eine Viertelmeile entfernt, und von zwei frischen Wagenspuren, die nach Norden führten. Besonders konzentrierte er sich auf die Tiefe der Abdrücke in der feuchten Erde. Der
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