Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
hart und blieb unversehrt, aber der Wyvern Schnabel wurde abgelenkt.
»Mach schnell, Elena«, rief Harlekin, »der Mond kommt!«
Die Gegenwart ihrer Gefährten gab Elena die Kraft, die sie brauchte, um weiter große Mengen an Magik und Blut in das Monster hineinzupumpen. Im Herzen des Vogels stiegen die Spannungen ins Unermessliche. Sie ließ sich davon nicht ablenken, ihre Finger hielten eisern fest. Allmählich allerdings machte sich der Blutverlust bemerkbar. Auch ihre rubinroten Hände verblassten zu hellem Rosa. Lange konnte sie nicht mehr durchhalten.
Der Widerstand des Wyvern wurde heftiger. Jetzt schleuderte er Tol chuk beiseite wie eine lästige Fliege. Elena war schutzlos und sah nur noch einen Ausweg.
In einem einzigen Schwall entleerte sie den Rest ihrer Magik in das Herz des Steines. Sie gab alles, was sie hatte. Der Vogel schrie auf und reckte seinen Hals zur Decke empor. Auch Elena schaute hinauf. Das volle Antlitz des Mondes blickte auf sie herab. War sie zu spät gekommen? Silbernes Licht strömte durch das Loch.
Die Kraft ihrer Finger war erschöpft. Sie leitete einen letzten Blutstrahl in das Monster und ließ sich fallen. Als sich der letzte Finger löste, spürte sie, wie die Spannung im Inneren des Vogels an eine Grenze stieß. Die beiden gegensätzlichen Energien Cho und Chi ließen sich nicht mehr in einem einzigen Gefäß halten.
»Zurück!« schrie sie heiser und mit letzter Kraft.
Und schon kam es zu einer gewaltigen Explosion. Elena wurde davongeschleudert. Auch die anderen flogen nach allen Seiten. Steine prasselten gegen ihren Körper, als wäre sie in einen Hagelsturm geraten.
Sie wurde bis zu dem Knochenfeld zurückgetragen und landete zwischen den alten Gebeinen. Dann lief die Druckwelle allmählich aus.
Benommen und aus vielen Wunden blutend, wälzte sie sich auf die Knie. Ihre Hände waren schneeweiß, sie hatte alle Magik verbraucht und musste sie in dem Mondstrahl erneuern, der wie ein Speer in den Raum fiel.
Doch bevor sie die Kraft zum Aufstehen fand, kamen Merik und Ni’lahn aus dem Tunnel. Merik hielt beide Hände hoch erhoben und erzeugte einen heulenden Wind. Die Knöchelchen zu ihren Füßen wurden durcheinander gewirbelt. Schon quollen die ersten Skal’ten aus dem Tunnel, krallten sich mit ihren Klauen in den Stein und krochen wie die Küchenschaben an den Wänden empor.
Ni’lahn sah die große Höhle zum ersten Mal. Ihre Augen weiteten sich entsetzt.
Elena drehte sich hastig um und folgte ihrem Blick. Ihre Gefährten kamen auf die Beine. Alle waren von umherfliegenden Splittern getroffen worden und bluteten. Der Steinregen hatte sich von der Mitte des Energiezusammenflusses kreisförmig ausgebreitet. Vom Wyvern war nur eine Wolke Schwarzsteinstaub geblieben, die im Mondlicht funkelte. Die Explosion hatte tiefe Schrammen in den Silbersee gerissen.
Das letzte Wehrtor war zerstört!
Ringsum begannen die Koboldskelette zu zittern, rutschten aufeinander zu und fügten sich zusammen. Elena sprang hastig auf und stolperte aus dem Knochenfeld. Merik und Ni’lahn liefen ihr durch die klappernden Gebeine entgegen.
»Es waren zu viele«, keuchte Ni’lahn. »Jaston …« Sie schüttelte schluchzend den Kopf. »Er gab sein Leben, um uns Zeit zur Flucht zu verschaffen.«
Elena trauerte um den armen Mann, aber sie verlor ihre Umgebung nicht aus den Augen. Das Knochenheer erwachte zu neuem Leben. Die Skal’ten griffen immer noch an. Wieso? Das Wehrtor war doch nicht mehr …
Er’ril kam zu ihr. Er blutete aus einer tiefen Stirnwunde. »Wir müssen schnell weg. Auf der anderen Seite gibt es Tunnel. Dort wären wir besser geschützt.«
Hinter ihnen begannen die Skal’ten zu kreischen. Die Staubwolke verdeckte die Sicht, aber Elena erinnerte sich an die Tunnelöffnungen am anderen Ende der Höhle. »Ich muss meine Kräfte erneuern«, sagte sie und zeigte auf den Flecken Mondlicht.
Doch als sie darauf zuging, bewegte sich etwas im Inneren der Staubwolke. Hinter ihr kreischten die Skal’ten, die Gebeine klapperten. Sie indes blieb wie erstarrt stehen und schaute nach vorn. Er’ril bemerkte es und wandte sich ebenfalls der verwüsteten Zone zu.
Im funkelnden Staub bewegte sich etwas. Ein Körper erhob sich aus den Trümmern. Arme breiteten sich aus, Beine streckten sich. Im Herzen des Wehrtors war neues Leben entstanden.
Die anderen scharten sich um Elena und Er’ril. Die Skal’ten blieben fern. In der Mitte der Höhle stand, von Mondlicht übergossen, eine
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