Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
vor Zorn.
Die Zwerge ließen sich nicht einschüchtern und legten frische Pfeile auf. »Noch einmal!« rief Wennar.
Die Zwerge schossen doch diesmal war der Drache darauf vorbereitet. Er klappte eine Schwinge aus und schlug die Pfeile beiseite. Sie landeten weit verstreut.
Ragnar’k drehte den Kopf, neigte die Schnauze abermals zu Blott und Saag wan und brüllte. Blott sah seine langen Reißzähne und machte sich bereit.
Tyrus näherte sich dem Drachen von dessen verletzter linker Seite her und hatte ihn fast erreicht. »Ho!« schrie er, um die beiden auf sich aufmerksam zu machen.
Eine Schwinge holte aus, um ihn aus dem Sattel zu fegen. Doch Tyrus war nicht mehr da. Er hatte die Beine angezogen und sich abgestoßen und schnellte in hohem Bogen mit ausgestreckten Händen über die Schwinge hinweg durch die Luft. Dabei zwang er den Rest seiner Magik Reserven in seine Finger. Von seiner Panik beflügelt, färbten sie sich unverzüglich schwarz.
Hinter dem massigen Drachenkörper erhob sich ein Schrei.
Tyrus landete auf Ragnar’k, schob seine Finger unter die dicken Schuppen, bis er das zarte Fleisch berührte, und setzte seine Magik frei. Die Schuppen wurden hart und hielten seine Finger fest. Ein glücklicher Umstand, wie sich rasch zeigte, denn bevor Ragnar’k vollends versteinern konnte, bockte er heftig und wollte Tyrus abwerfen, aber der Piratenprinz war wie mit ihm verwachsen. Während er herumgeschleudert wurde, entströmte die Magik weiter seinem Herzen, bis es leer war. Wieder überkam ihn diese Gleichgültigkeit gegenüber seinem eigenen Schicksal.
Die Sinne schwanden ihm. Er hörte einen Schreckensschrei und spürte wie aus weiter Ferne, dass der Kampfgeist des Drachen erlosch. Auch die Bestie lag im Sterben. Granit strömte durch ihre Schwingen und den langen Hals bis hinab in die Klauenfüße. Ein letzter Stoß, und alles war zu Stein geworden.
Drache und Reiter waren für alle Ewigkeit aneinander gefesselt.
Tyrus spürte sein Herz. Bisher hatte es fest und ruhig geschlagen, jetzt zuckte und zitterte es wie ein Sack voller Schlangen. Er ließ sich der Finsternis entgegenfallen. Es war vorüber.
Leichte Wärme durchdrang den kalten Stein. Dann erstrahlte von irgendwoher ein Licht, umspülte ihn, hüllte ihn ein. Etwas berührte seine Lippen. Er begriff nicht sofort, dass er geküsst wurde.
Doch er wusste, wer ihn in den Armen hielt. Er hatte diese Lippen erst einmal gespürt, aber das war genug. Sein versteinertes Herz schmolz vor Glück. Ein Name drängte auf seine Lippen. Mikela …
Er bekam keine Antwort. Er ahnte, dass er noch zu weit von ihr entfernt war.
Mikela, ich komme zu dir.
Das warme Licht widersetzte sich, schob ihn zurück. Nein, mein Liebster, du musst noch bleiben.
Es brach ihm das Herz. Ich wüsste nicht, warum. Warst du nicht immer mein Licht?
Und so wird es auch bleiben … Doch deine Zeit ist noch nicht gekommen.
Ich will es aber, sagte er trotzig.
Jetzt schlug ihm Strenge entgegen. Du willst sterben wie ein Pirat … doch ich verlange mehr von dir. Eine lange Pause trat ein. Anstatt zu sterben wie ein Pirat, sollst du leben wie ein Prinz. Du wirst noch gebraucht. Tu es um meinetwillen. Lebe wie ein Prinz.
Tyrus wollte widersprechen, doch tief im Inneren wusste er, dass sie Recht hatte. Einen Atemzug lang hielt er sie noch fest, schwelgte in ihrem Licht, nahm etwas davon in sein Herz auf. Dann ließ er sie los.
Versprich mir … flüsterte er.
Das habe ich doch längst getan. Er hörte nichts mehr. Er war allein.
Er hatte sich einen Rest ihres Lichtes und ihrer Wärme bewahrt und schmolz damit den Stein um sein Herz. Die Muskelfaust in seiner Brust begann sich wieder zu regen … einmal, zweimal. Die Schläge wurden kräftiger und maßen die Zeit bis zum Wiedersehen.
Stein schmolz und wurde zu Fleisch. Er rutschte vom Rücken des Granitdrachen und wurde von starken Armen aufgefangen. Er konnte auch wieder sehen, aber die Welt war dunkler geworden. Er schaute nach rechts, nach links. Schuss und Schlag stützten ihn. Die Flammen in der Feuergrube dahinter waren erloschen.
Schlag bemerkte seinen ratlosen Blick. »Das Feuer ging aus, als der Drache starb«, erklärte er.
Tyrus atmete in tiefen Zügen, um den Stein auch aus den letzten Winkeln seines Wesens zu vertreiben.
Der Drache, eine makellos geformte Granitskulptur, saß auf den Hinterbeinen, die Schwingen angelegt, den Hals nach vorn gewölbt, die Schnauze zu Boden gesenkt. Tyrus stand nahe genug bei ihm,
Weitere Kostenlose Bücher