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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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sollten, und Rudenko war der erste, dessen Erscheinen nur Schlechtes barg. Dann aber tauchte ein zweiter auf, mit schöpferischen Ideen, und er kam keinen Moment zu früh.
    1790 hatte die russische Kolonialisierung der amerikanischen Territorien das niedrigste Niveau aller europäischen Nationen.
    Spanien, Portugal, Frankreich und England, alle schnitten in dieser Hinsicht besser ab, und erst die mörderische Politik Belgiens am Kongo ließ sich in etwa mit der der Russen auf den Aleuten vergleichen. Sie zerstörten das vernünftige Verwaltungs- und Machtgefüge, das sich die Aleuten aufgebaut hatten. Sie trieben Raubbau mit den Nahrungsquellen, so dass die Menschen verhungerten. Sie hätten beinahe den Seeotter ausgerottet, so dass ein natürlicher Reichtum, der sich endlos hätte halten können, fast für immer verschwand. Und, was am schlimmsten war, sie unterdrückten alte Sitten und Anschauungen, ohne sie durch gleichwertige zu ersetzen. Versoffene alte Priester wie Pater Petr bekehrten innerhalb von neunzehn Jahren nicht mal zehn Aleuten zum christlichen Glauben, und auch diesen willigen Seelen brachten sie keine geistliche Fürsorge entgegen, geschweige denn weltliche Verbesserungen. Die Zustände waren so schlimm, dass ein unbefangener Beobachter mit Recht zu dem Schluss hätte kommen müssen: »Alles, was die Russen in die Finger kriegen, wird seiner Würde beraubt.« Jetzt jedoch bahnte sich von Irkutsk aus eine Reform an.
    Pater Vasili Voronov hielt sich 1791 kaum einen Tag auf Kodiak auf, da hatte er bereits den Mann erkannt, mit dem er um die geistige Führerschaft über Russisch-Amerika ringen sollte. Voronov unternahm einen ersten Erkundungsgang durch seine Gemeinde, als er einen großen, ausgemergelten Aleuten von unsauberer Erscheinung und mit gehetztem Blick auf sich zukommen sah, einen Mann, der scheinbar ziellos umherstreifte, offenbar auch nicht der Handelsgesellschaft zugehörte, und wie aus seinem zerzausten Haar zu schließen war, ohne festes Heim. Er gehörte zu der Art von Leuten, denen Vasili sonst nur durch seine seelsorgerischen Tätigkeiten begegnen würde, bei der Ausgabe von Almosen oder dem tröstlichen Zuspruch von Angehörigen bei einem Todesfall. Dieser alte Mann jedoch schien ihn mit seinen Augen zu durchbohren und so interessiert an dem neuen Priester zu sein, dass Vasili sich genötigt fühlte, mehr über ihn zu erfahren.
    Er nickte ihm streng zu, eine Geste, die nicht erwidert wurde, eilte zurück zu einem Beamten der Gesellschaft und fragte: »Ist dieser sonderbare Aleute etwa ein Schamane?« Und der Russe antwortete: »Wir glauben, ja.« Aber Vasili blieb sich unsicher, bis er Leutnant Belov befragte: »Ja, er ist ein bekannter Schamane. Er lebt in einer Erdhütte zwischen den Wurzelsträngen der großen Fichte.«
    Überzeugt, die Spur des Teufels aufgenommen zu haben, bat Vasili, dem geschäftsführenden Leiter der Gesellschaft vorgeführt zu werden, der respektvoll zuhörte, als ihn der junge Priester warnte: »Der Antichrist wirkt mitten unter uns!« Und man war sich einig, dass Voronov »ein wachsames Auge auf den da« werfen sollte. Schon bald allerdings musste der Priester die Aufmerksamkeit seiner Hauptaufgabe zuwenden, als nämlich ein Beamter der Gesellschaft ihm erklärte: »Sie kommen gerade in einem günstigen Moment. Ein Aleute wünscht, der Kirche beizutreten. Ihre erste Bekehrung wartet auf Sie.«
    »Ich werde mich sofort um ihn kümmern«, sagte Vasili, aber der Beamte verbesserte: »Es ist eine Sie, ein Mädchen.« Und als der junge Priester sich genauer erkundigte, musste er feststellen, dass die Bekehrung einen Haken hatte. Er besprach mit Cidaq, als er zu ihr kam, was sie sich unter Bekehrung vorstellte, aber sie verhielt sich dabei merkwürdig zwiespältig. Offensichtlich hatte sie großes Interesse daran, zum Christentum überzutreten, denn das bedeutete Eintritt in die bevorzugte Welt der Russen, aber ihr fehlte die gefühlsbetonte Stärke einer, die wirklich bekehrt werden wollte, und diese Gegensätzlichkeit war verwirrend. Nach drei langen Gesprächen, während deren sie ihn schmachtend anblickte, als suchte sie in seinen Augen die Erleuchtung, war ihm noch immer nicht aufgefallen, dass sie nur mit ihm spielte, und wenn er herausgefunden hätte, dass sie sich für das Christentum nur als Waffe interessierte, um ihren zukünftigen Mann empfindlich zu strafen, dann wäre er schockiert gewesen.
    Jedoch moralisch gefestigt durch seine Unschuld, setzte

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