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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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Jahre hatte er an vier Schlachtungen von Walen teilgenommen, und zwei dieser Wale waren sehr groß gewesen, aber keiner hatte einen so enormen Kopf oder ein so riesiges Maul wie dieser hier. Fast eine geschlagene Minute blieb der tiefe Schlund geöffnet, eine schwarze, höhlenartige Vertiefung, die einen ganzen Kajak zermalmen konnte, Dann schloss der Wal sein Maul wieder, es sah fast so aus, als sei er schläfrig, ein kleiner, vereinzelter Spritzer folgte, dann sank das massige Tier wieder unter Wasser und schwamm weiter in die Richtung, in der Oogruk seine Kameraden vermutete. Seinen Glücksbringer gegen die Zähne stoßend, paddelte auch er schnell weiter.
    Er bewegte sich jetzt auf der Ostseite der Bahn des Wals und war so weit draußen auf See, dass er seine Heimatküste und auch die gegenüberliegende Küste nicht mehr sehen konnte. Er war völlig allein in den weiten nördlichen Gewässern, das einzige, was ihm Kraft gab, war sein magischer Lippenpflock und die Hoffnung, dass er seinen Leuten dabei behilflich sein könnte, diesen Wal, den er nun schon so lange verfolgte, zu fangen.
    Da es Hochsommer war, brauchte er nicht zu befürchten, den Wal in der einsetzenden Dunkelheit aus den Augen zu verlieren. Beim Paddeln sah er ab und zu über die linke Schulter hinweg das Tier sich unter dem silbernen Licht des endlosen Sommertages dahinschleppen, und jedesmal versicherte er sich, dass das Ungeheuer weiter mit ihm Richtung Norden trieb. Manchmal erblickte er auch dieses grässliche Maul wieder, diese schwarze Höhle, die von jener anderen Welt kündigte, vor der der Schamane in seinen Trancezuständen gelegentlich warnte. In der raunenden Düsterkeit einer arktischen Mitsommernacht nach Norden zu paddeln, mit dem Wissen, dass einem in der Ti efe des Meeres ein schwarzer Wal dicht folgte, das stellte den Mut eines Mannes auf die Probe, und Oogruk, auch wenn er entschlossen war auszuhalten, wäre vielleicht umgekehrt, wenn der Lippenpflock ihn nicht beruhigt hätte.
    Beim Morgengrauen schwamm der Wal noch immer Richtung Norden. Die Sonne stand noch nicht hoch am Firmament, als Oogruk im Nordosten etwas entdeckte, das ein Umiak sein konnte, und sofort gab er die Verfolgung des Wals auf und begann, wie wild auf das vermeintliche Boot zuzupaddeln. Er hatte recht behalten mit seiner Vermutung, denn als beide Boote einmal gleichzeitig auf dem Kamm einer Welle trieben, konnte er die sechs Männer in ihrem Boot rudern sehen, und sie sahen ihn. Mit seinem Paddel wedelnd, gab er das Zeichen, dass er einen Wal gesichtet hatte, und ebenfalls mit dem Paddel die Richtung weisend, deutete er ihnen den Kurs an.
    Mit unglaublicher Geschwindigkeit drehte der Umiak nach Westen ab, um dem riesigen Meerestier den Weg abzuschneiden. Oogruk wurde nicht weiter beachtet, denn es war allein der Wal, der jetzt wichtig war, nicht derjenige, der sie auf seine Spur gebracht hatte. Oogruk hatte verstanden, und mit kräftigen Schlägen brachte er seinen Kajak auf Kurs, den Umiak in dem Augenblick einzuholen, wenn er den Wal erreichte. Ein Drama mit drei Beteiligten begann sich zu entwickeln, den Männern in dem größeren Boot, die vor Anspannung bebten, dem Wal, der sich majestätisch weiter fortbewegte, blind gegenüber der Gefahr, die ihm drohte, und Oogruk, allein, wie ein Besessener paddelnd, unsicher, welche Rolle ihm in diesem Kampf zuteilwerden sollte. Um sie herum, in alle Himmelsrichtungen, erstreckte sich das sanft wogende arktische Meer; es waren keine Eisberge zu sehen, keine Vögel, nicht eine Landspitze, keine Bucht oder ein Golf. Dort, hoch oben in der unermesslichen Einsamkeit des Nordens, bereiteten sich Mensch und Tier auf eine Schlacht vor.
    Als der Umiak auf Sichtweite an den Wal herangekommen war, konnten die Männer die Größe des Tieres noch nicht richtig abschätzen; manchmal bekamen sie nur den Kopf zu sehen, dann wiederum nur die Schwanzflosse, aber nie das Tier in seiner gesamten Länge, und so waren sie der Überzeugung, es handelte sich um einen ganz gewöhnlichen Wal. Kaum jedoch waren sie näher herangekommen, das Tier hatte sie noch immer nicht bemerkt, da durchbrach es plötzlich die Wasseroberfläche, und man sah den ganzen Körper. Mit gewaltiger Energie drehte es sich auf die Seite, als wollte es sich am Rücken kratzen, und ließ sich dann krachend und spritzend wieder ins Wasser zurückfallen. Jetzt erst erkannten die sechs Eskimos, mit welch einem Riesenwal sie es hier zu tun hatten und dass er, sollte es

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