Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
Vom Netzwerk:
aufliegend, ihr Augenpaar hinter den Haaren versteckt, murmelte sie: »Haben bei Ihnen alle Männer weißes Haar?«
    »Es ist nicht weiß. Wir sagen blond dazu. So wie das Haar von Miss Scott.«
    »In Zeitschriften habe ich immer nur Bilder von Frauen gesehen, die auch so helles Haar haben. Aber nie Männer.«
    »Es gibt viele Männer mit hellen Haaren, Amy.«
    »Warum sind Sie hierhergekommen? Was machen Sie hier?«
    »Ich habe wichtige Dokumente von der Regierung in Juneau mitgebracht. Du weißt doch, die Hauptstadt von Alaska.«
    »Natürlich weiß ich das.« Die Sicherheit, mit der sie antwortete, ermutigte ihn, noch eine ganze Reihe anderer Fragen zu stellen, geeignet, die Intelligenz eines vierzehnjährigen Kindes auf die Probe zu stellen, und sowohl er als auch Kendra waren überrascht, wie gut und wie breit gefächert ihr Wissen war. Schließlich waren sie bei Rechnen angelangt, und auch hier überraschte die Leichtigkeit, mit der ihre Antworten erfolgten. »Amy, du bist ein kluges Kind, sicher die Klügste in deinem Alter, die ich kenne. Du siehst anscheinend sehr viele Dinge, über die du nicht sprichst, oder?«
    Offensichtlich zufrieden mit sich, aber gleichzeitig verlegen, weil man hinter ihre Geheimnisse gekommen war, hob sie den Kopf leicht, schaute Jeb an und schenkte ihm ein weites, gewinnendes Lächeln, das schönste, was er jemals erhalten hatte. Von dem Augenblick an waren Jeb und Amy Freunde, und während es Kendra nicht geglückt war, das Eis zum Schmelzen zu bringen, hatte Jeb alle in der verschlossenen Brust des Mädchens versteckten Gefühle hervorgebracht; und je mehr Amy von sich offenbarte, ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, ihre Auffassungsgabe und ihr Wissen, desto deutlicher erkannten Kendra und Jeb, dass sie es mit einem kleinen Wunderkind zu tun hatten, das alles erreichen konnte, worauf es seine Talente auch richtete.
    »Wir müssen alles dafür tun, damit sie später einmal aufs College gehen kann«, sagte Jeb, und Kendra pflichtete ihm bei: »Sie könnte theoretisch jetzt schon gehen. Die University of Washington vergibt bestimmt Stipendien für Mädchen wie sie.«
    Am Abend, es war Jebs letzter Tag in Desolation, gingen sie in der Finsternis spazieren, das Thermometer zeigte minus 35 Grad. Die Kälte, bei nur sehr geringer Feuchtigkeit, wirkte eher belebend als beißend, und sie genossen sie in vollen Zügen. »Nicht viele Verliebte können von sich sagen, bei minus fünfunddreißig spazieren gegangen zu sein«, bemerkte Jeb, worauf sie etwas abrückte und entgegnete: »Ich wusste gar nicht, dass wir Verliebte sind.« - »Könnten wir aber werden, heute Nacht «, sagte er, und als sie wieder am Lehrerwohnheim ankamen, stand er schon mit einem Fuß in der Tür, aber sie winkte ab. »Nein, Jeb«, sagte sie, doch schwächte dann ihre harte Antwort mit dem Argument ab: »Morgen früh würden es alle im Dorf wissen«, und er erwiderte: »Aha! An einem neutraleren Ort wie Anchorage würde es dir also nichts ausmachen.« Und ihr Schweigen verriet, dass er recht hatte.
    Sie umarmte ihn stürmisch und blieb vor der Wohnungstür stehen. Er war in jeder Hinsicht der begehrenswerteste Mann, den sie je kennengelernt hatte, ein Anwalt, der tiefen Respekt vor dem Gesetz hatte, ein Freund der Eskimos und - wie er durch seinen geschickten Umgang mit der verschlossenen Amy bewiesen hatte - jemand, der sich auch in die Welt eines Kindes versetzen konnte. Sie war verliebt in Jeb, und unter anderen Umständen wäre sie bereit gewesen, es auch zu zeigen, aber da sie das Wohnheim nun einmal mit dem Schuldirektor teilte und sie den neugierigen Blicken der Dorfbewohner ausgesetzt war, musste sie sich zurückhalten.
    »Jeb, du bist der wundervollste Mensch, der bisher in mein Leben getreten ist. Ich bitte dich, lass uns den Kontakt nicht abbrechen.«
    »Wenn du so für mich empfindest und ich dasselbe für dich, warum lässt du mich dann nicht rein?« Aber sie sagte, allerdings nicht mehr ganz so entschlossen: »Hier geht es nicht.« Aber er ließ nicht locker: »Und wenn du nach Anchorage kommen würdest? Ginge es dann?« Aber sie sagte: »Dräng mich nicht«, was er ganz richtig als ein »Wahrscheinlich« auslegte.
     
    In den Wochen darauf wurde Kendra durch eine ganze Reihe von Ereignissen abgelenkt, für die Vladimir Afanasi verantwortlich war, der anscheinend unter Beweis stellen wollte, was für seltsame und gleichzeitig einzigartige Möglichkeiten Alaska bot. Am ersten Januar erfuhr er, dass die

Weitere Kostenlose Bücher