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Alba und Albion

Alba und Albion

Titel: Alba und Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Fentross
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ging mit mir bis vor einem Jahr auf das klösterliche Mädchenpensionat in Cheltenham, doch wir kannten uns von klein auf. Ann war ein verwöhntes reiches Ding, stets korrekt gekleidet und immer mit einem Hütchen nach der neuesten Mode auf dem Kopf. Ihr größter Stolz aber waren ihre feinen strohblonden Haare, die, in zahlreiche Löckchen gelegt, über die Schultern fielen. Obwohl in meinem Alter, sah sie doch um einiges reifer aus und hielt sich stets an die Benimmregeln. Nur wenn wir unter uns waren, benahm sie sich wie ein normales Mädchen. Und deshalb mochte ich sie.
    „Guten Tag, Susanna.“
    „Guten Tag, Ann! Bitte sag, daß du mit mir Ausreiten willst!“
    Dramatisch flehend hielt ich ihr die Arme entgegen, worauf sie in schallendes Gelächter ausbrach und sich vor mir in einen Sessel plumpsen ließ.
    „Das hatte ich eigentlich vor, aber deine Mary schaut mich so böse an und jetzt traue ich mich nicht mehr, dich zu fragen!“
    Verlegen senkte Mary den Kopf, war sie doch nur eine Bedienstete. „Wenn du willst, dann geh, Kindchen.“
    „Nein.“ Ich beuge mich leicht nach unten und legte meine Hand auf Ihre Schulter. „Wir machen das heute fertig und dann habe ich meine Ruhe.“
    Und so wurde es dann auch gemacht. Ann erzählte mir in der Zwischenzeit den neuesten Tratsch, den sie in den letzten Tagen aufschnappen konnte und ich bemühte mich, der Schneiderin zuliebe still zu stehen, wobei ich große Schwierigkeiten hatte.
     
    So vergingen die Tage.
    Ich traf mich mit Ann, ritt mit ihr im verbotenen Herrensattel über die Felder, machte ebenfalls verbotene Besuche im Dorf, bei denen sie mich allerdings nicht begleitete, aus Angst, daß uns jemand verraten könnte. Doch dieses Risiko ging ich ein, denn ich hielt mich gerne dort auf. Die Menschen waren einfache Leutchen, aber sehr freundlich. Da der Großteil weder lesen noch schreiben konnte, half ich ihnen, wenn ein Brief kam oder wenn sie einem lieben Menschen etwas Post zukommen lassen wollten.
    Die Kinder versammelten sich stets um mich herum, sobald sie mich mit einem Buch erblickten. Dann las ich ihnen im Obstgarten oder in einer der ärmlichen Hütten daraus vor, während sie kichernd und lachend zuhörten, welche Abenteuer David Copperfield erlebte oder wo die Gespenster ihr Unwesen trieben. Ich tat das gerne und empfand sie als die wahren Freunde - trotz der bestehenden Standesdünkel.
    Während die Erwachsenen mich mit höflicher Zurückhaltung behandelten, war ich für die Kinder nur Susanna, das Mädchen aus dem großen Haus, die sie duzten und die sie auch berührten. Manchmal aß ich mit ihnen aus der gleichen Schüssel, trank mit ihnen aus dem gleichen Holzbecher und fand nichts Anrüchiges dabei.
     
    „Sag, Miss Susanna, woher kennst du die vielen Geschichten?“
    Zwei große blaue Augen in einem blassen, marmeladeverschmierten Gesichtchen blickten fragend zu mir herauf. Auch die anderen Kinder, die um mich herum im weichem Gras saßen, starrten mich fasziniert an. Wir hatten es uns unter den Apfelbäumen bequem gemacht und wurden so vor der strahlend heißen Sonne einigermaßen geschützt. Vor uns stand ein Krug mit erfrischendem Quellwasser, in dem allerdings bereits einige Fliegen ihr Leben ausgehaucht hatten.
    Auf meinem Schoß lag ein Strauss bunter duftender Feldblumen, gepflückt von den bezaubernden Zwergen, die mich nun erwartungsvoll anstarrten. Ab und zu lockte der intensive Duft einen Schmetterling an und ich genoß es, von ihnen umschwirrt zu werden, aber vielleicht lag es auch an dem strahlenden Gelb meines ungewohnt tief ausgeschnittenen Seidenkleides.
    Sarah, ein Mädchen von kaum vier Jahren betastete seit geraumer Zeit den Stoff meines Kleides mit ihren zierlichen Fingerchen. Als ich sie anblickte, senkte sie verschämt lächelnd ihr Gesicht, ohne in ihrer Tätigkeit inne zu halten. Anscheinend hatte sie noch nie einen solchen Stoff aus dieser Nähe gesehen. Und das tat mir in der Seele weh. Die Welt war einfach ungerecht!
    „Die kenne ich von Mary, meiner Gouvernante.“
    „Was ist eine Gu-, Guva- eine Guvante?“
    Sofort bekam sie einen Rippenstoß von ihrem kaum älteren Bruder, der hinter ihr stand.
    „Das heißt Guvantante.“
    Stolz, daß er das Wort richtig erfaßt hatte, setzte er sich mit schwelender Brust vor mich hin.
    „Nicht ganz, zu Schlaumeier. Es heißt Guuuvernannnte.“
    Kichernd versuchten sie, das Wort auszusprechen.
    „Wenn ich groß bin, möchte ich auch eine Guvante haben.“
    Lachend hob

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