Alba und Albion
Pferden auf den Koppeln und einem Hund, der sie ankläffte, sah ich keine einzige Seele.
4
Waldrauschen
Allmählich nahmen mich die Vorbereitungen zu meinem Geburtstagsfest recht in Anspruch und ich hatte für ihn keinen Gedanken mehr übrig. Es war nur noch ein Tag und im ganzen Haus wurde geputzt und poliert, die aufwendigen Speisen vorgekocht und vorgebacken. Jäger trugen unzählige Fasane, Kaninchen, zwei frisch erlegte Wildschweine und sonstiges Getier in die Küche, die Köchin belagerte Mutter, um die Menüfolge zu besprechen, der Butler fragte nach der Weinliste, die Zimmermädchen wollten wissen, welche Räume für die Gäste gerichtet werden sollten.
Kurzum, es war ein aufregendes Treiben der Dienstleute zu beobachten.
Doch für mich gab es heute nichts zu tun. Die Kleider waren allesamt fertig gestellt und ich spürte eine kleine Langeweile. Damit ich den umher eilenden Leuten nicht im Weg stand, ging ich in den Salon, in dem Doreen stets Gäste willkommen hieß. Heute hatte sie Besuch von einer ihrer Freundinnen aus ihrem Mädchenpensionat mit deren frisch angetrauten Mann. Ich begrüßte beide mit einem höflichen Knicks und nahm ebenfalls in der Runde Platz. Doch die Gespräche ermüdeten mich. Ich entschuldigte mich wieder und verließ den Salon.
Schlendernd ging ich nach draußen.
Auch hier waren alle vollauf beschäftigt. Der Gärtner schalt gerade lautstark seinen Burschen aus, der seiner Ansicht nach ein Bäumchen verschnitten hatte. Ich lächelte, als ich das sah. Es war wirklich verschnitten.
Vor mich hinsummend lief ich auf dem Grundstück herum und ehe es mir bewußt wurde, stand ich vor dem Pferdestall.
Mir kam eine Idee.
Verstohlen blickte ich mich um.
Nein, es folgte mir niemand. Schnell sah ich an mir herunter und machte eine kurze Bestandsaufnahme über meine Kleidung, die zwar nicht dem Vorhaben angemessen schien - aber großzügig blickte ich darüber hinweg. Vor mir sah ich nur diese einmalige Gelegenheit! Ich straffte den Rücken und öffnete die Tür in den Stall.
Am Boden balgten sich zwei kleine Welpen, was aussah wie ein kleiner Wollknäuel. Einen davon nahm ich auf und sofort begann er, leise knurrend mit seinen kurzen spitzen Zähnchen an den Rüschen meines Ausschnittes zu zerren, während aus einer anderen Ecke ein kleiner Rotschopf erschrocken auf die Beine fuhr. Anscheinend störte ich ihn gerade bei seinem Nickerchen im Stroh.
„Madam, kann ich etwas für Sie tun? Ich wollte gerade -“
„Ja, ja, schon gut“, unterbrach ich ihn und winkte ab. In meinem schärfsten Befehlston, den ich bei Vater beobachtet hatte, gab ich ihm Anweisung. „Sattle mir die Angel. Ich reite aus.“
Der Knabe - sein Name war ebenfalls Thomas - sah mich mit offenem Mund an. „Aber … aber …“
„Beeil’ dich und mach den Mund zu!“
„Aber Ihr Herr Vater …“, stammelte er und blickte erleichtert über meine Schulter. „Ach, gut daß Sie kommen. Miss Susanna möchte ausreiten.“
Ich drehte mich um. Der ältere Thomas grinste mich verlegen an.
„Miss, Ihr Herr Vater hat uns verboten, Sie alleine ausreiten zu lassen.“ In den Händen hielt er seinen verbeulten Hut und knetete verlegen an der Krempe herum. „Aber wenn ich jemanden hole -“
„Nein!“, rief ich. „Es muß ja auch niemand erfahren, nicht wahr?“
Ich wußte, er konnte mich gut leiden und oft hatte er mir aus der Patsche geholfen. Warum nicht auch heute? Ich versuchte es mit einem lieblichen Lächeln, das mir aber sofort wieder verging.
„Ich weiß nicht recht, Miss. Wenn Ihr Vater davon erfährt, könnte ich große Schwierigkeiten bekommen.“ Er sah mich zweifelnd an, während der kleinere Thomas fasziniert von Einem zum Anderen blickte. Anscheinend reichte heute ein Lächeln nicht aus, um ans Ziel zu kommen.
„Bitte, Thomas!“
Flehend sah ich ihn an und stampfte auf. Das Hündchen in meinen Armen begann, unruhig zu werden und so setzte ich ihn wieder vorsichtig ab. „Ich muß für ein paar Stunden mal für mich alleine sein. Im Haus ist ein Umtrieb wie im Bienenkorb, das ist einfach nicht auszuhalten! Und es hat sowieso keiner Zeit nach mir zu sehen, geschweige denn, mich zu begleiten!“
Ich holte tief Luft und wartete.
Schweigend sah er mich an und seufzte ergeben. „Na gut, Miss Susanna. Einverstanden. Aber Thomas reitet mit Euch.“
„Ja muß denn das sein?“
Abwertend betrachtete ich den Jungen. Doch Thomas der Ältere gab ihm bereits Zeichen zum Satteln zweier Pferde. Dieser
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