Alba und Albion
Wildschweine. Ich wollte eine Abkürzung zu Ihrem Haus nehmen. Und der führt nun mal quer durch das Gebüsch.“
„Was wollen Sie denn bei uns?“
„Ich habe die Anweisung bekommen, während der Feierlichkeiten bei den Pferden im Stall auszuhelfen. Irgend jemand soll Geburtstag haben, wie man mir mitteilte.“
„Ja“, sagte ich innerlich lachend, „das stimmt.“
Wie er so dahin schritt, konnte ich ihn gut beobachten. In seinem glänzenden dunklen Haar hatten sich Kletten und Blätter verfangen und das Band, das sie zusammenhielt, hatte sich etwas gelöst. Einzelne Strähnen, die der Wind ihm sanft ins Gesicht blies, strich er mit einer ungeduldigen Handbewegung zurück. Wieder trug er diese verschmutzte Kniehose, in der ein kurzes Messer steckte. Sein Hemd war an einigen Stellen gerissen, an anderen aber säuberlich zusammen genäht. Sein Wams jedoch ließ sehr zu wünschen übrig.
Mir fiel kein geeignetes Gesprächsthema ein und so fragte ihn das für mich nächstliegendste.
„Mister Robert, darf ich Sie etwas fragen?“
Er wandte sich nicht um. „Aye.“
„Was wollten Sie eigentlich bei Missy?“
„Bei wem?“
„Na, Missy! Die junge Frau aus dem Dorf.“
Er warf mir einen unverständlichen Blick zu und ich verdrehte die Augen, garniert mit einem unwirschen Knurren.
„Sie erinnern sich? Sarah … Kobolde … Sonnenschein?“ Mit meinem süßesten Lächeln blitzte ich zu ihm herab.
„Missy heißt sie also? Das wusste ich nicht.“
Augenblicklich versteifte ich mich. Das war doch allerhand! Besuchte eine solche Person, ohne ihren Namen zu kennen! Ich war schockiert.
„Na, für das nächste Mal wissen Sie es jetzt“, sagte ich bissig und er blickte erstaunt zu mir auf und hielt das Pferd an.
„Wie meinst du das?“
„Also, das ist doch die Höhe! Jeder in der Gegend weiß, wie sich Missy ihr mageres Auskommen verdient. Schlimm genug, daß sie so etwas tun muß, aber daß der gnädige Herr nicht mal weiß, wie das arme Mädchen heißt -“
Robbie klappte den Mund auf und sah mich ungläubig an. „Du dachtest … ich würde … daß ich mit ihr …“
Er senkte den Kopf und schüttelte ihn. Dann sah er mich wieder an und grinste. „Ich kann dich beruhigen, Mädel.“ Langsam kamen er und das Pferd wieder in die Gänge. „Aber es ist nicht so, wie du es dir ausgedacht hattest. Ich bringe ihr alle zwei Tage ein Paket mit Essen. Für sie und die Kinder. Und an diesem Tag -“
Ich winkte ab und schämte mich gleichzeitig für meine verdorbenen Gedanken. „Ja, ja. Sie haben ihr ein Paket gebracht. Entschuldigen Sie bitte.“
„Aye.“
Da ich nicht wußte, was ich darauf noch antworten sollte, horchte ich auf das Zwitschern der Vögel und die Trittgeräusche von Pferd und Mann.
„Brav.“ Robbie hielt das Pferd abrupt an.
„Soll ich vielleicht mal zum Haus vorausgehen und nachsehen, ob man Sie bereits sucht?“ Er sah zu mir auf und zögerte. „Ich meine ja nur, damit Sie nicht nochmal Ärger mit Ihrem Vater bekommen. Weil Sie doch alleine ausgeritten sind und -“
Die Röte zog über mein Gesicht. „Woher wissen Sie - oh!“ Ich kniff die Lippen zusammen und zischte wütend in Richtung Haus. „Doreen, du Klatschbase! Na warte, das wirst Du mir büßen!“
Ich wollte gerade die Fersen in die Flanken des Pferdes schlagen, als mich Robbie am Knöchel festhielt.
„Das Pferd kann nichts dafür“, sagte er leise und blickte zu mir herauf.
„Lassen Sie meinen Fuß los oder ich -“ Entrüstet versuchte ich mich aus dem eisenharten Griff zu befreien.
„Wenn Sie versprechen, nicht überstürzt fortzureiten oder dem Pferd zu schaden.“
„Ja gut, aber lassen Sie endlich los!“
„Besser, Sie steigen ab!“
Ohne auf meine Erlaubnis zu warten, hob er mich aus dem Sattel. „Sicher ist sicher“, sagte er entschuldigend.
Als ich auf dem Boden stand, hielt er mich etwas länger als nötig an der Taille fest und da ich bei dieser Aktion einen Schuh verloren hatte, knickte ich ein wenig ein. Trotz seiner Hilfsbereitschaft zischte ich ihn leise an.
„Sie dürfen mich wieder loslassen!“
Sofort ließ er die Arme fallen, wandte sich wieder dem Pferd zu und setzte seinen Weg fort.
„Warten Sie doch! Sie können mich doch hier nicht einfach zurücklassen!“
Auf einem Bein hüpfte ich auf der Stelle und versuchte, das Schühchen wieder anzuziehen und gleichzeitig die Balance zu halten, was alles andere als einfach war, hatte ich doch einen Reifrock aus riesigen Ausmaßen
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