Alba und Albion
öffnen und mir zu zeigen, daß er lebte.
Doch es geschah nichts. Wie eine Puppe lag er in meinen Armen und ich war mir nicht mehr sicher, ob in diesem Körper noch Leben war.
Ein heftiger Schmerz durchfuhr mein Herz, daß ich aufstöhnte und ich begriff, es war vorbei. Mein Herz war gebrochen und augenblicklich versiegten meine Tränen. Sanft legte ich seinen Kopf zurück auf den Boden, küßte ihn ein letztes Mal.
Wie in Trance ging, nein, schwebte ich zur Kutsche, stieg ein und lehnte mich mit geschlossenen Augen zurück. Alisa, die noch immer bitterlich weinte, nahm mich in ihre Arme, wiegte mich wie ein Kind, versuchte, mir Trost zu spenden. Doch ich empfand nichts. Mit leerem Blick starrte ich in die Leere. Ich hatte keine Tränen mehr und ein übermächtiger Schmerz breitete sich in meiner Brust aus, der mich schwer seufzen ließ.
Langsam setzte sich unser Gefährt in Bewegung und ein Blick auf Stephen, der uns gegenüber saß, zeigte mir, daß auch er weinte, um einen Mensch, den er als Rivalen kennengelernt und schließlich als Freund geschätzt hatte.
Es würde mich mein Leben lang verfolgen, wenn ich jetzt zurückblickte, doch ich wollte noch ein letztes Mal die Stelle des Verbrechens in mir aufnehmen. Kurzentschlossen schob ich das Kutschfenster hinunter und blickte hinaus.
In der Lichtung lag niemand mehr und an der Stelle, an der ich meinen geliebten Mann zurück lassen mußte, standen nun zwei Männer, eine davon war Campbell und beugten sich über Robbie. Sie hoben ihn hoch, sanfter und behutsamer, als man Templeton weggetragen hatte und verließen ebenfalls die Lichtung.
Eine unwirkliche Ruhe machte sich in mir breit und fast zufrieden lehnte ich mich zurück. Sanft streichelte ich meinen Bauch, in dem ich in ein paar Monaten neues Leben spüren würde.
Nein! Robbie war nicht tot.
Robbie war am Leben. Er lebte jetzt in mir.
Und ich würde ihn nach Hause bringen.
Eines Tages.
45
Wiedersehen
Ich nahm nichts mehr wahr.
Zu sehr hielt mich meine Trauer gefangen. Auf Fragen, die man mir stellte und auf die Aufgaben, die man mir auftrug, reagierte ich mechanisch. Ich fühlte mich leer und dem Tod näher als dem Leben.
Wenn er stirbt, sterben Sie auch.
Wie wahr diese Worte waren! Dieser Satz haftete in meinem Gehirn und wollte einfach nicht verstummen. Meine Gefühle waren wie betäubt vor Schmerz.
Unsere Kutsche polterte in rasantem Tempo in Richtung England zurück, wohin mich Stephen bringen würde, nach Hause zu Mamma, Papa, Doreen und Mary. Ich nahm die Entscheidung Stephens hin, konnte keine Kräfte mehr für eine weitere Auseinandersetzung mobilisieren.
„Wieso fährst du nicht auch nach Hause?”, fragte ich Alisa, die mit ebensolcher Trauermiene neben mir saß und meine Hand hielt.
„Ich kann nicht mehr nach Hause.“
„Und was ist mit Michail? Du lässt ihn zurück? Ich denke, ihr mögt euch.“
Bei diesem Namen brach nun auch sie zusammen, schluchzte sich das Herz aus dem Leib und erstaunt blickte ich zu Stephen, der versuchte, sie wieder zu beruhigen, indem er ihr einen Becher mit Whisky einflößte.
„Sie ist schwanger.“
„Nein!“
Das, was ich am meisten gefürchtet hatte, war tatsächlich eingetroffen. Vielleicht war es ja auch Michail, der dafür in Frage kam. Aber hätte sie sich wirklich so schnell mit ihm eingelassen? Nach ein paar Tagen schon? Und wie wollte sie in der kurzen Zeit wissen, daß sie ein Kind unter dem Herzen trug?
„Weise er es denn schon?”, fragte ich stattdessen.
Alisa hüstelte leicht, als sie die Flüssigkeit trank und wischte sich mir ihrem Rock das Gesicht.
„Es ist nicht von ihm.“
Nun hatte ich die entsetzliche Gewißheit und brachte kein tröstendes Wort über die Lippen.
„Aber wer in Gottes Namen“, rief Stephen entrüstet aus.
„Haben Sie die Vergewaltigung in Abertoyle schon vergessen?”, fragte sie Stephen und er erblaßte.
„Oh Gott!“, stöhnte ich und nahm sie schnell in die Arme, strich über ihr Haar und flüsterte traurig hinein. „Es tut mir so leid, liebste Alisa. Meine liebste Schwester! Es tut mir so leid!“
„Aber jetzt ist er gerächt und tot. Niemals wieder wird er ein unschuldiges Ding unglücklich machen können!“
Stephen kippte nun seinerseits den Becher hinunter, goß noch einmal nach und gab ihn mir. Doch ich winkte ab. „Nein. Ich will nicht.“
„Nun gut“, sagte er, kippte erneut den Becher und hickste verhalten.
Ich seufzte schwer. Dann nahm ich Alisa bei den Händen und
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