Alba und Albion
Gesicht.
„Ann, was sagst du da! Er ist ein Stallbursche, kein Gentleman!“
Nun blieb Ann stehen, maß mich von oben bis unten und seufzte sehnsuchtsvoll.
„Stallbursche hin oder her. Er sieht sehr anregend aus und man wird doch wohl noch träumen dürfen, oder?
„Was für ein wunderbarer Abend heute.“
Ich drehte mich lachend um und erstarrte auch gleich wieder. Ich sah in das Gesicht von Lord Peter Templeton. Doreen hatte recht, er war unsympathisch. Der Lord war um einiges älter als ich - ich schätzte ihn um die Vierzig - hatte ein fliehendes Kinn, leicht hervor quellende Augen und Haare in einer undefinierbaren hellen Farbe. Seine Kleidung saß jedoch tadellos und war vom Feinsten. Der Rock hatte goldene Knöpfe, die Bordüren seiner Ärmelaufschläge paßten sich farblich den großen Schleifen seiner Spangenschuhe an und in seinen Augen blitzte es stets lüstern. Einige meiner Freundinnen hatten mir heute schon einiges über ihn erzählt, was ganz und gar nicht das Thema einer Dame sein sollte. Aber ich konnte mich während des Dinners selbst davon überzeugen. Sie hatten nicht übertrieben. Seine Blicke klebten ständig an den Damen und dabei sah er nicht in die Augen!
Langsam wandte ich mich wieder dem Lord zu. Er war wirklich ein hässlicher Mensch und seine gepuderte Perücke machte ihn auch nicht schöner. Doch ich ließ mir nichts anmerken.
„Oh ja, das finde ich auch! Vor allem das Gartenfest schien äußerst unterhaltsam.“
Ich gluckste, als ich daran dachte, wie schnell alles ins Haus hastete, als es plötzlich wie aus Eimern schüttete.
Verzückt starrte er mich an. Da er fast so groß war wie ich, konnte er mir frontal ins Gesicht sehen, was er auch tat.
„Sie sehen heute wunderschön aus. Mir ist noch nie aufgefallen, wie erwachsen Sie schon sind“, bemerkte er blöde und grinste mich an. Ich konnte seinen schlechten Atem riechen und drehte den Kopf wieder in Richtung Tanzgesellschaft.
„Ach ja?“
Meine Antwort sollte ihm andeuten, dass ich kein Interesse an einem weiteren Gespräch hatte. Überschwänglich winkte ich einer Bekannten am anderen Ende des Saales zu und beachtete ihn nicht weiter. Das war zwar nicht sehr höflich, aber unser Gespräch wurde von niemandem beobachtet. Noch immer grinsend, verbeugte er sich vornehm.
„Darf ich um diesen Tanz bitten?“
Mir fiel so schnell keine Ausrede ein und gezwungen lächelnd hielt ich ihm meine Hand hin und so führte er mich auf der Stelle auf das Parkett. Da ich bei dieser Art von Tanz, der eigentlich nur aus dem Dahinschreiten nach dem Takt der Musik bestand, öfters den Partner wechselte, war ich froh, seine Aufforderung angenommen zu haben. So konnte ich ein weiterführendes Gespräch mit Lord Templeton verhindern und meine gute Laune kehrte zurück.
Erhitzt vom Tanz geleitete er mich einige Tänze später zuvorkommend an einen Sitzplatz in Nähe der Flügeltüren.
„Soll ich Ihnen eine Erfrischung bringen lassen?“
Völlig außer Puste, nickte ich nur und begann, wie wild mit dem Fächer zu wedeln. Trotz allem fühlte ich mich restlos glücklich. Von einiger Entfernung entdeckte ich Doreen, wie sie mit Eric herum schlenderte. Sie gaben ein wirklich schönes Paar ab.
Mutter sah ich nicht, aber bei den vielen Gästen wurde sie bestimmt ständig aufgehalten. Und Vater hatte sich unmittelbar nach dem Dinner mit Sir Limmeroy und einigen anderen Geschäftspartnern ins Herrenzimmer zurückgezogen.
Der Lord kam mit zwei Gläsern Rotwein zurück. Ich schüttete meines ohne Abzusetzen hinunter, was ihm ein erschrockenes „Miss Susanna!” entlockte. Lächelnd bat ich ihn, mir noch ein Gläschen zu bringen und er beeilte sich, meinen Wunsch zu erfüllen. Diesmal nippte ich nur vornehm.
„Möchten Sie vielleicht ein bißchen an die frische Luft? Das wäre doch sehr belebend für Sie.“
Mit zusammengepressten Lippen grinste er mich an, da er anscheinend seine schlechten Zähne verbergen wollte. Zweifelnd sah er nach draußen, wo es etwas stürmisch zu sein schien - vom Regen ganz zu schweigen, doch er hielt mir seinen Arm hin.
Noch immer glühend, hakte ich mich bei ihm unter.
„Eine gute Idee.“
Ich schwankte leicht. Vielleicht hätte ich den Wein doch nicht so hastig herunterschütten sollen.
Wir gingen die Stufen der Terrasse hinab und ich bemerkte, daß der Regen fast aufgehört hatte. Die Luft roch frisch und fühlte sich angenehm kühl an auf der Haut. Wir schlugen langsam den Weg in den Garten ein, aus
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