Alba und Albion
drückte mir meinen Umhang in die Hand. Er stieß mich entschieden vorwärts.
„Lauf’ schon, Susanna! Lauf! Ich finde dich! Vertrau’ mir!“
Unentschlossen blieb ich stehen, drehte mich noch einmal um, doch die beiden Männer verschwanden im Schatten der Bäume. Nur das Rascheln im Gestrüpp konnte ich noch hören.
Ich schluckte. Die Tränen stiegen auf und noch immer wußte ich nicht, ob ich ihm nachlaufen oder davonrennen sollte. Das Getrampel war nicht mehr weit weg und nun hörte ich auch die Stimmen der Soldaten, die zu Fuß durch den Wald marschierten.
„Komm’ zurück, du Idiot!“
Flüsternd und schniefend versuchte ich mich hinter einem Baum zu verstecken, denn zum Davonlaufen war es jetzt zu spät. Wahrscheinlich hatten sie mich sowieso bereits bemerkt. Dann hatte ich wie aus heiterem Himmel diesen unguten Gedanken.
Weil ich um Ihre Hand anhalten werde, sobald Sie wieder bei den Ihren sind!
Urplötzlich sah ich Lord Peter vor meinem geistigen Auge und hatte wieder seine näselnde Stimme im Ohr. Das war für mich das Signal zur Flucht. Als wäre der Leibhaftige hinter mir her, rannte über das dichte Laub quer durch die Bäume. Ich stolperte über Wurzeln, zerriß meine Röcke an spitzen Ästen, die aussahen, als wollten sie mich greifen, glitt einige Male auf dem Laub aus und zerschrammte mir Arme und Gesicht am Dornen, die nun bluteten und wie Feuer brannten.
Ob ich den richtigen Weg eingeschlagen hatte, wußte ich nicht und ich wollte auch nicht weiter darüber nachdenken.
Nur raus aus diesem Wald!
Ein heftiges Stechen in der Seite zwang mich jedoch nach kurzer Zeit zu einem langsameren Tempo und mein kleines Herz pochte wie wild, was mir das Atmen erschwerte. Dennoch lief ich ohne Unterbrechung weiter.
Sie durften mich nicht erwischen, war das Einzige in meinem Kopf, was mich auf den Beinen hielt. Von der ungewohnten Anstrengung schweißgebadet, zitterte ich am ganzen Körper und erst jetzt fiel mir auf, daß ich weder Umhang noch Decke bei mir hatte. Ich mußte ihn irgendwo hinter mir verloren haben, aber zurückgehen getraute ich mich nicht. In meiner Angst dachte ich nur noch an Flucht.
„Was mach ich denn jetzt bloß?“
Ich lehnte mich an eine hohe und breite Eiche, während sich meine Lungen nur langsam beruhigten und versuchte in den Himmel zu blicken. Doch der Nebel machte das unmöglich. Entmutigt und erschöpft rutschte ich langsam den Baumstamm hinab auf den Boden. Ich mußte überlegen!
„Streng’ dich an, Susanna! Benutze dein Gehirn!“, spornte ich mich leise an. „Was würde Robbie jetzt tun?“
Meine Augen füllten sich wieder mit Tränen. Robbie!
Energisch wischte ich sie fort. Ich durfte mich jetzt nicht gehen lassen, sonst war alles umsonst! Noch einmal holte ich tief Luft.
Sollte ich nach Robbie rufen? Vielleicht befand er sich ja in meiner Nähe. Aber nein, schalt ich mich selbst, er ging ja in die entgegengesetzte Richtung.
Und wenn sie ihn gefaßt hatten? Mir wurde leicht schwarz vor Augen. Nein, dazu war er zu gewitzt. Außerdem hatte er noch seine Begleitung. Seamus!
Er war zwar nicht sehr redselig und ein wenig unheimlich in seiner massigen Statur, aber ich hatte inzwischen begriffen, daß er bis zum letzten Atemzug für Robbie kämpfen würde.
Trotzdem - er konnte sich in dieser Wildnis durchzuschlagen, für mich war das allerdings alles eine fremde Welt. Langsam sackte ich wieder in mich zusammen und weinte bitterlich. Ich fühlte mich so alleine und im Stich gelassen. Und doch hatte ich etwas von Robbie bei mir. Seinen Liebesbeweis, den ich nun warm an meinen Schenkeln wahrnahm.
„Reiß‘ dich zusammen und tu’, was er dir gesagt hat!“
Ich stand wieder auf und sah mich um. Die Sicht wurde aufgrund der zunehmenden Dunkelheit immer schlechter und der Nebel immer dichter. Das Grün des Waldes verwandelte sich langsam in ein eintöniges Grau, das die Nacht mit sich brachte. Ich wischte mir mit dem Rock über mein nasses Gesicht. Wenn ich immer nur in eine Richtung ging, so hätte ich eine Chance, irgendwann aus diesem Wald heraus zu kommen.
„Irgendwo muß er ja schließlich aufhören“, dachte ich grimmig. Ich straffte meine Schultern, strich mein inzwischen total zerfetztes Kleid glatt und stapfte in die Ungewissheit.
Ich fror und fühlte mich erbärmlich.
Seit Stunden lief ich zwischen den Bäumen hin und her, versuchte verbissen, immer in dieselbe Richtung zu laufen. Doch das Ende des Waldes fand ich noch immer nicht. Ich hatte
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