Alba und Albion
auch das Gefühl, mich im Kreis zu bewegen und stetig wurde es kälter. Inzwischen war es auch stockdunkel. Nun konnte ich fast nicht mehr die Hand vor Augen sehen.
Den Mond erkannte ich in der Nebelsuppe über mir nicht, ebenso wenig, wie die Sterne, doch hörte ich die unheimlichen Geräusche und Schreie so nah neben mir, daß ich dachte, unmittelbar vor einer Horde wilder Bestien zu stehen, die es auf mich abgesehen hatte.
Der Mut, der mich bei Tageslicht auf den Beinen hielt, war in der Dunkelheit komplett verschwunden. Ängstlich schob ich mich vorwärts.
Die größte Angst hatte ich vor den Wölfen, die Robbie und mich einige Tage und Nächte in gebührendem Abstand begleitet hatten.
Mir fiel etwas ein!
Robbie hatte mir gesagt, Feuer hielte sie eigentlich fern, doch ich hatte weder die Kenntnis noch die Möglichkeit, ein Feuer zu entfachen. Eine große Hoffnungslosigkeit machte sich in mir breit und erschöpft sank ich zu Boden.
Ich horchte.
Das mußte eine Eule sein. Die war nicht gefährlich, tröstete ich mich in meiner Todesangst. Und dann lauschte ich nur nach einem Geräusch: dem Heulen eines Wolfes. Zum Glück war nichts zu hören. Manchmal meinte ich, ein leises Stapfen auf dem knirschenden Laub zu vernehmen und ich begann vor Angst zu wimmern. Aber ich versuchte verbissen, mich zusammenzureißen, um einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Meine Tränen versiegten inzwischen und ich schniefte nur noch leicht.
Vorsichtig tastete ich mich weiter.
Ab und zu schrie ich auf, als ich meinte, das Fell eines Ungeheuers berührt zu haben, doch nach intensiverem Betasten entpuppte es sich als Moos an den Bäumen, Farnwedel und einfach nur Gestrüpp.
Inzwischen kroch ich auf allen vieren voran, da ich vor Angst nicht mehr aufrecht gehen mochte. Wenn ich mich klein machte, konnte mich ein blutrünstiges Monster vielleicht nicht sehen, so meine Logik.
„Das kommt davon, wenn man ständig Geschichten hören will“, schalt ich mich laut und mir kamen nun die wildesten Sagen von Kobolden, Geistern und Gespenstern in den Sinn, auch die, die mir Robbie auf mein Drängen hin erzählt hatte.
Ich erschauderte. Vielleicht half es, wenn ich mir etwas vorsang, was ich dann auch tat; zuerst leise summend, dann etwas lauter und ich beruhigte mich ein wenig.
Aber es war unmöglich, weiter zu gehen. Auch wenn ich nicht mehr weit von Blackpool entfernt sein konnte, mußte ich einen Unterschlupf bis zum Sonnenaufgang finden. Trotz der Ängste, die ich ausstand und der Müdigkeit, daß ich meine Augen fast nicht mehr offen halten konnte. Der Körper forderte seinen Tribut.
Dann kam ich an einen umgefällten Baum. Meine Augen hatten sich soweit an die Dunkelheit gewöhnt, daß ich schwarze Umrisse erkannte. Ich tastete ihn ab und konnte eine kleine Mulde in der Erde erkennen, die der Stamm abdeckte. Erleichtert darüber, etwas Festes im Rücken zu haben, während der tote Baum als Beschützer über mir lag, rutschte ich ungelenk hinein. Hastig rollte ich mich in meine Kleider, deckte mich mit Laub etwas zu und rieb meine steifgefrorenen Finger.
Nun horchte ich ängstlich und zitternd vor Kälte in das Nachtleben, das sich durch Rascheln und Knistern bemerkbar machte.
Doch niemand tat mir ein Leid an.
20
Zu zweit ist vieles einfacher
Tatsächlich hatte ich einige Zeit geschlafen.
Die ersten Vögel stimmten bereits ihr Lied an und begrüßten den neuen Tag und durch die Baumspitzen konnte ich die aufgehende Sonne erkennen.
„Gott sei Dank, ich lebe noch.“ Mit zerschlagenen Gliedern kroch ich ungelenk aus meinem Unterschlupf heraus und rieb meinen Körper warm.
„Aye.“
Starr vor Schreck tat ich einen Schritt nach hinten. Dann sah ich die Gestalt, die auf dem Baumstamm saß.
„Seamus!“
Nachdem ich mich wieder erholt hatte, stürmte ich auf ihn zu und umarmte ihn heftigst, bis er knallrot im Gesicht wurde. „Wie freue ich mich, Sie zu sehen!“
Verlegen schob er mich zur Seite und ich ließ mich an seiner Seite nieder, während ich mich mit klappernden Zähnen und vernehmlich knurrendem Magen versuchte, etwas von seiner Körperwärme abzubekommen.
„Ein kalter Morgen, nicht wahr?“, sagte ich schnatternd.
Seamus blinzelte mich an und da er sah, wie heftig ich zitterte, legte er mir seine Wolldecke um die Schultern, setzte sich vor mir auf den Boden und zog meine Schuhe aus, die alles andere als für diese Kälte geschaffen waren.
„Was machen Sie denn da?“ Entsetzt starrte ich auf ihn
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