Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Russen, die gute Gründe haben, sich an KGB-Leuten zu rächen.«
»Bei Mordfällen menschelt es fast immer«, nickte Renan und kickte einen Stein weg.
»Fünfte Hauptverwaltung, Direktion K, Abteilung zehn, ›Die Wächter‹«, ratterte Herbst, griff zum Pfefferminztee und schwieg.
»Ist das alles?«, fragte Alfred, nachdem sie etwa drei Minuten lang auf weitere Erläuterungen gewartet hatten.
»Ideologiedirektorat«, sagte Herbst und stopfte seine Pfeife nach. Er hatte sich geweigert, Alfreds Einladung an seinen alten Arbeitsplatz zu folgen, als er erfahren hatte, dass dort mittlerweile Rauchverbot herrschte. Zu Hause wollte er sich aber auch nicht mit seinen Nachfolgern treffen, weil heute seine Frau von ihrem Malkurs aus der Toskana zurückkehren würde und Herbst es vorzog, bei solchen Anlässen lieber nicht daheim zu sein. Also hatte er Alfred und Renan ins Fürther Stadtparkcafé bestellt. Die Hitzewelle hielt weiterhin an, was Herbst veranlasst hatte, zu seinem kurzärmeligen hellgrünen Hemd eine ärmellose Strickweste und außerdem einen Strohhut zu tragen, den er aufgrund sich ankündigender Kopfschmerzen mittlerweile aber wieder abgesetzt hatte. Alfred und Renan waren zu spät und machten jetzt einen ziemlich gehetzten und verschwitzten Eindruck.
»Wegen fünf Schlagworten hast du uns doch bestimmt nicht hierher bestellt«, sagte Renan schließlich.
»Sicherlich nicht«, erwiderte Herbst, »aber es hat mich vier Tage gekostet, diese Informationen zu bekommen, da werdet ihr doch hoffentlich mal vier Minuten warten können. Ein wenig Ruhe wird euch bestimmt nicht schaden.«
»O. k.«, seufzte Alfred und zog eine Zigarette aus seinem Etui, »warten wir noch vier Minuten.«
Renan nuckelte an ihrem Eistee und klimperte dabei mit den Eiswürfeln. Alfred trank den Rest seines Espressos und nahm ein paar tiefe Züge von der Zigarette. Man hörte Amseln zwitschern, Tauben gurren und konnte Spatzen beim Wettlauf um ein paar liegen gebliebene Kuchenkrümel beobachten. So Unrecht hatte Herbst mit seiner Verzögerung gar nicht, schließlich waren die Zeiten schon hektisch genug. Am übernächsten Tisch rechts diskutierte ein junges Elternpärchen. Sie hatten die letzte Dreiviertelstunde damit verbracht, ihren kleinen Exhibitionisten mühsam daran zu hindern, sich alle Kleider vom Leib zu reißen und nackig durch den Park zu hopsen. Nun war er müde geworden und schlief im Kinderwagen, während seine Eltern angeregt über die peinlichen Hochzeitspläne eines anderen Pärchens diskutierten, das doch tatsächlich seinen Hochzeitstisch virtuell ins Internet gestellt hatte.
»Also«, begann Herbst schließlich und zog das KGB-Abzeichen aus seiner Herrenhandtasche, »diese Plakette hier gehört zu einer KGB-Einheit, die der fünften Hauptverwaltung zuzuordnen ist. Habt ihr euch schon ein wenig mit der Materie beschäftigt?«
»Dafür haben wir ja dich«, sagte Alfred in der Befürchtung, dass ihnen wieder eine langwierige Schnitzeljagd bevorstand.
»Na schön«, Herbst legte seine Pfeife zur Seite und zog ein Notizbuch aus der Handtasche. »Der KGB war in etwa sieben Hauptverwaltungen gegliedert: die erste Hauptverwaltung war für die Auslandsspionage zuständig, die zweite für Spionageabwehr und Kontrolle der Bevölkerung im Inland, die dritte überwachte die sowjetischen Streitkräfte. Die siebte Hauptverwaltung …«
»Was ist mit der vierten?«, fragte Alfred dazwischen.
»Gibt es nicht«, antwortete Herbst knapp.
»Und die fünfte?«
»Zu der komme ich später.«
»Und was ist mit Nummer sechs?«, schaltete sich Renan ein.
»Wer sagt, dass Geheimdienste logisch aufgebaut sind?«, Herbst sah von seinem Notizbuch auf, »eine sechste Hauptabteilung gibt es auch nicht. Die werden sich schon irgendwas dabei gedacht haben, früher. Also, die siebte Abteilung war für Überwachung und Analyse zuständig, die achte hat Codes und Geheimschriften sowohl entwickelt als auch geknackt und die neunte war für die Sicherheit von Parteiführern und wichtigen Einrichtungen verantwortlich.«
»Und uns interessiert jetzt vor allem die fünfte«, folgerte Alfred.
»Zuständig für Nonkonformisten«, nickte Herbst, »sie wurde erst 1968 vom damaligen KGB-Vorsitzenden Andropow gegründet …«
»… dem späteren Generalsekretär«, warf Alfred ein.
»… der 1956 als Botschafter in Budapest mit eigenen Augen verfolgen musste, wie die Ungarn während des Aufstandes einige Dutzend ihrer eigenen Geheimdienstoffiziere
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