Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Ihre Tochter auf der Universität studieren möchten?«
Egon Rausch hatte dicke Schweißperlen auf der Stirn und seine Hände zitterten. Die Ausweglosigkeit seiner Situation war ihm klar. Ebenso wusste er, dass einer Familie noch viel mehr zustoßen konnte als nur der Ausschluss der Kinder von einer Hochschule.
»Entscheiden Sie sich jetzt, Genosse!«, befahl Kynduschenko.
»Wollen Sie mit uns kooperieren, ja oder nein?«
»Ich habe wohl keine andere Wahl«, stöhnte Rausch.
»Na, bitte. Ich wusste doch, dass Sie ein intelligenter Mann sind«, schmeichelte der Major.
Egon Rausch unterschrieb ein Papier, in dem er seine freiwillige Mitarbeit erklärte. Die Einladung auf ein Gläschen Wodka lehnte er ab und verließ schnellstens die Wohnung.
Major Kynduschenko schenkte zwei Gläser ein und bot Nikolai ein Zigarette an.
»Das war sehr gute Arbeit, Genosse«, lobte er.
»Ich tue nur meine Pflicht, Genosse Major«, entgegnete Nikolai.
»Wie viele Agenten sollten Sie im ersten Vierteljahr anwerben?«
»Zehn, Genosse Major!«
»Sie wissen aber, dass diese Zielvorgaben immer zu hoch angesetzt werden.«
»Das ist mir nicht bewusst, Genosse Major!«
»Lügner«, grinste Kynduschenko, »fünf sind realistisch, wenn Sie gut sind, sieben. Und Sie haben bereits neun rekrutiert. Es fehlt nur noch ein weiterer Deutscher.«
»Noch habe ich ja zwei Wochen Zeit, Genosse«, sagte Nikolai unschuldig.
»Unter uns, Nikolai«, der Major wurde vertraulich, »es wird nicht mehr lange dauern, bis man an höherer Stelle auf Sie aufmerksam wird. Ich glaube, Sie haben eine große Zukunft vor sich.«
Nikolai bemühte sich, so etwas wie Ehre zu empfinden. Er war sich aber nicht sicher, ob diese große Zukunft überhaupt erstrebenswert war.
Herbert Göttler hatte die Pressekonferenz auf sechs Uhr abends angesetzt. Außer ihm befanden sich noch der zuständige Staatsanwalt, der Pressesprecher der örtlichen Kriminalpolizei sowie ein Vertreter des LKA auf dem Podium. Die Konferenz fand im PR-Saal des Präsidiums statt. Der Raum verfügte über behördengrau gebeizte Wandverkleidungen, eine abgehängte Akustikdecke, alle Schikanen moderner Präsentationstechniken sowie über eine funktionierende Klimaanlage. Es war schwer zu sagen, ob die Brisanz des Falles oder die kühlen zwanzig Grad Raumtemperatur die Pressevertreter in Scharen angezogen hatte, auf jeden Fall war der Saal mit fünfzig Besuchern gut gefüllt. Alfred hatte mit Renan in der letzten Reihe Platz genommen. Er kühlte sein Gesicht noch zusätzlich mit einer Flasche Wasser, die er eben aus dem Automaten im Foyer geholt hatte. Außer ihnen hatten sich noch fünf Mitglieder der Soko Hartmann an den Rändern der Bestuhlung verteilt. Göttler hatte das Jackett seines gestreiften Anzuges abgelegt und die Hemdsärmel hochgekrempelt, um seine unbändige Tatkraft zu unterstreichen. Er tuschelte noch kurz mit dem LKA-Mann und eröffnete dann die Veranstaltung:
»Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie herzlich zu unserer heutigen Pressekonferenz begrüßen. Wie Sie wissen, haben wir uns zum Ziel gesetzt, Nürnberg zur sichersten Großstadt der Republik zu machen …«
»Letztes Jahr hat er sich noch mit Bayern begnügt«, raunte Alfred seiner Kollegin zu.
»… und ich kann Ihnen versichern, dass dieser widerliche Fall von Menschenraub in wenigen Tagen Geschichte sein wird. Dank der Mithilfe unserer LKA-Kollegen, als deren Vertreter ich Herrn Hauptkommissar Schwaanke hier ebenfalls herzlich willkommen heißen möchte, konnten wir binnen drei Tagen den Tathergang minutiös rekonstruieren und ein Täterprofil erstellen, das den Kreis der Verdächtigen im Prinzip auf eine Person begrenzt«, Herbert nickte Hofmann, seinem Pressesprecher, zu, der sich sofort eifrig an einem Notebook zu schaffen machte. Auf der Projektionswand hinter Göttler tauchte eine blauer Windows-Hintergrund auf, in dessen Mitte sich ein Dialogfenster befand, das die Vorbereitung der Netzwerkverbindung meldete.
»Präsentiert er Fahndungsfotos jetzt online?«, flüsterte Renan ungläubig.
»Ich habe keine Ahnung, was Hofmann da treibt«, Alfred zuckte mit den Schultern, »wo doch jeder weiß, dass unsere Computer am liebsten dann abstürzen, wenn man sie am dringendsten braucht.«
»Unser Hauptverdächtiger ist ein ehemaliger Mitarbeiter der Freiherren-Brau AG. Sein Name ist Michael Gruner«, Göttler blickte erwartungsvoll zu Hofmann, der trotz Klimaanlage bereits zu schwitzen begonnen hatte
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