Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
ist nicht so gut, wie es den Anschein hat, es kann sein, dass ich demnächst um meine Versetzung zurück in die Heimat bitten muss und nur noch unwichtige Schreibtischarbeit übernehmen kann.«
»Ich habe mich etwas eingehender über Sie informiert«, Nikolai lehnte sich in seinem Stuhl zurück, »Sie haben einen Bruder, der wegen Raubüberfalls im Arbeitslager sitzt …«
»Bitte sprechen Sie etwas leiser, Genosse«, der Major sah sich hektisch im Raum um.
»Ihr Vorgesetzter weiß davon nichts«, Nikolai beugte sich wieder nach vorne.
»Ich kann doch nichts dafür, wenn sich mein Bruder in kriminelle Machenschaften verstrickt!«
»Und dann wäre da noch Ihre kleine Nebentätigkeit«, fuhr Nikolai fort.
»Genosse Leutnant, ich versichere Ihnen, das ist ein Missverständnis«, der Major zog ein Taschentuch heraus und fuhr sich damit über die hohe Stirn.
»Sie organisieren den illegalen Verkauf von Kaffee, Tee und elektrischen Geräten aus Armeebeständen an Deutsche«, Nikolai verzog angewidert das Gesicht.
»Also schön«, seufzte Jakutskin, nachdem er sich zwei Minuten lang das Taschentuch vors Gesicht gedrückt hatte, »ich werde mit Ihnen zusammenarbeiten. Es darf aber niemand sonst etwas davon erfahren!«
»Geheimhaltung ist unsere Spezialität, Genosse«, sagte Nikolai ohne jede Regung, »kommen Sie doch bitte morgen Abend in mein Büro, da sind noch einige Papiere zu unterschreiben.«
Nach zwei Monaten hatte Nikolai die acht verlangten Sowjetbürger angeworben. Trotz der oftmals erpresserischen Methoden verspürte er keine Gewissensbisse. Genauso wenig war er stolz auf das, was er tat. Es war ein Auftrag und als Soldat war Nikolai darauf trainiert, so gut wie möglich Befehle auszuführen. Wenn sie ihn nur nicht wieder in den Kugelhagel afghanischer Rebellen führen würden. Seinen ersten Coup landete er vier Wochen später, als er den ersten Deutschen für den KGB gewann.
Egon Rausch war einer der wenigen selbstständigen Handwerker, die in der DDR noch ein Geschäft betrieben. In einem Nachbarort von Bernau unterhielt er eine Reparaturwerkstatt für alle Arten von elektrischen Geräten. Es wunderte Nikolai, dass noch niemand vom KGB auf ihn aufmerksam geworden war, denn ein selbstständiger Unternehmer war im Ostblock seltener als Bananen. Rausch war ein guter und zuverlässiger Geschäftsmann, seine Werkstatt war ständig ausgelastet und er leistete sich zwei Trabants und einen Wartburg. Durch seine unsozialistische Lebensführung war Rausch den DDR-Behörden natürlich ein Dorn im Auge. Die Staatssicherheit hatte schon mehrmals versucht, ihn dazu zu bringen, seine Werkstatt zu schließen und in einem Staatsbetrieb zu arbeiten. Nikolai forderte sämtliche Akten über Rausch von der DDR-Staatssicherheit an und bekam sie umgehend per Expressbote. Gleichzeitig musste Nikolai persönlich mit seinem Kandidaten bekannt werden. Er stöberte so lange in den Hinterzimmern und Lagerräumen der Kaserne herum, bis er ein defektes Transistorradio fand. Mit diesem Gerät fuhr er eines Abends zu Rausch in die Werkstatt und fragte, ob es noch zu reparieren sei. Er gab sich als Infanterieoffizier aus und da Rausch sehr gut Russisch sprach, kamen sie gleich ein wenig ins Plaudern. Eine Woche später holte Nikolai das reparierte Radio wieder ab. Dummerweise hatte er das Geld vergessen, so dass er sich mit dem Handwerker für den nächsten Abend noch einmal verabredete. Zu diesem Termin brachte er die Konstruktionszeichnung einer Hochleistungsantenne mit, die er in einer ostdeutschen Radio-Zeitschrift entdeckt hatte, und fragte an, ob Rausch ihm beim Bau dieses Gerätes behilflich sein wollte. Der Deutsche studierte den Plan und versprach, die Konstruktion für seinen russischen Freund vorzunehmen, es würde jedoch drei bis vier Wochen dauern, bis er das erforderliche Material auftreiben könnte, besonders Kupferdraht sei schwer zu bekommen. Nikolai bedankte sich überschwänglich und versprach, sich das nächste Mal mit einer Flasche russischem Wodka für Rauschs Bemühungen erkenntlich zu zeigen.
Wieder drei Tage später stand Nikolai mit einer Rolle Kupferdraht und einer Flasche Wodka bei Rausch in der Werkstatt.
»Es ist doch längst Feierabend«, sagte er, »und ich wollte mich auf echt russische Art für Ihre Mühen bedanken.«
»Ich habe noch keinen Russen kennen gelernt, der nicht irgendeinen Anlass zum Trinken gefunden hätte«, lächelte Rausch und sperrte seine Werkstatt zu. Er stellte zwei Gläser
Weitere Kostenlose Bücher