Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Mann osteuropäischer Herkunft«, auf der Projektionsfläche hinter ihm erschien ein Foto von Drugajew. »Mittlerweile haben wir nicht nur seine Identität, sondern auch seinen Mörder ermittelt, was ein Mal mehr beweist, dass das Verbrechen in unserer schönen Stadt keine Chance hat.«
Der PR-Saal war brechend voll. Neben den üblichen Pressevertretern hatten sich auch der Bayerische Rundfunk und das Lokalfernsehen eingefunden. Es war später Vormittag und so stark bewölkt, dass künstliche Beleuchtung nötig war. Während Göttler die Ansprache hielt, freute sich Hofmann wie ein Schneekönig über die funktionierende Verbindung zwischen seinem Notebook, dem Netzwerk und dem Videobeamer. Schwaanke lümmelte auf der linken Seite und blickte teilnahmslos auf die Wolkentürme, die an der Fensterfront vorbeizogen.
»Der Tote hieß Boris Drugajew«, sprach Göttler weiter, »er war russischer Staatsbürger und befand sich illegal in Deutschland. Der Täter heißt Nikolai Kashevski, ein arbeitsloser Kontingentflüchtling, ebenfalls aus Russland«, hinter Göttler tauchte ein Bild von Nikolai auf, »Herr Kashevski hat die Tat gestanden, die Staatsanwaltschaft hat bereits Anklage erhoben. Gibt es Fragen so weit?«
»Was ist ein Kontingentflüchtling?«, schallte es aus der Mitte des Saales.
»In diesem Fall handelt es sich um russische Bürger jüdischen Glaubens, die in die BRD einwandern dürfen, um die hiesigen jüdischen Gemeinden zu verstärken«, Göttler las die Antwort ab.
»Und wovor fliehen sie?«, fragte eine Redakteurin des Lokalfernsehens.
»Ähm, vor, ja … Hofmann?«, Herbert erteilte seinem Pressesprecher das Wort.
»Kontingentflüchtling ist nur ein juristischer Terminus«, erklärte Hofmann, freudig erregt, »es handelt sich in diesem Fall tatsächlich um Einwanderer, durch den Status Kontingentflüchtling sind sie anerkannten Asylbewerbern gleichgestellt. Ihre Zahl ist auf zehntausend pro Jahr begrenzt.«
»Wenn der Täter Jude ist«, fragte der Vertreter der Nürnberger Nachrichten, »steht die Tat dann etwa in einem rechtsextremistischen Zusammenhang?«
»Davon kann keine Rede sein«, sagte Herbert, »weder ist das Opfer der rechtsextremen Szene zuzuordnen, noch ist der Täter Jude.«
»Aber Sie sagten doch gerade, er sei jüdischer Flüchtling«, im Saal erhob sich Gemurmel.
»Nein, ähm … Hofmann!«
»Vielen Dank, Herr Göttler. Die Ehefrau des Täters ist jüdischen Glaubens. Der Ehemann darf dann selbstverständlich auch einreisen.«
»Wo liegt das Motiv für die Tat?«, das war Thormann von der Abendzeitung.
»Das Motiv liegt in einem privaten Hintergrund und hängt eng mit einem anderen Mord zusammen, der vor siebzehn Jahren hier verübt wurde«, Göttler hatte wieder in die Spur gefunden, hinter ihm erschien ein neues Foto, »wir waren erst jetzt in der Lage die Identität des damaligen Opfers festzustellen. Er hieß Jewgenji Karasow, KGB-Major auf der Flucht.«
»Wo ist der Zusammenhang?«
»Gemach, gemach, Herr Thormann«, Göttler erhob die Hand, »es besteht Grund zu der Annahme, dass unser aktuelles Opfer 1985 Karasow erschossen hat. Er war ebenfalls KGB-Offizier und hatte entweder den Auftrag oder ein privates Motiv, den Mann umzubringen. Kashevski gibt als Motiv an, den Mord an seinem Freund Karasow gerächt zu haben. Kashevski war ebenfalls Hauptmann beim KGB.«
»Also haben wir es mit einer Vendetta ehemaliger Sowjet-Spione zu tun«, folgerte eine Pressevertreterin.
»Wissen Sie«, murrte Göttler, »dieses Wort hört sich immer so nach Mafia an. Davon kann aber in diesem Fall keine Rede sein!«
»Und warum passiert das alles ausgerechnet hier?«, wollte die lokale Filiale der Bildzeitung wissen.
»Warum der erste Mord 1985 hier passierte, wissen wir nicht genau. Wahrscheinlich war es Zufall. Kashevski war über die DDR und …«
»Entschuldigung, Herr Direktor«, flüsterte Hofmann, »Karasow war es.«
»Was? Ah, ja. Karasow war über die DDR und die Tschechoslowakei in den Westen geflohen. Warum sein Mörder ihn dann genau hier erwischt hat, darüber kann nur spekuliert werden.«
»Und der jetzige Fall?«
»Drugajew hat sich hier – außerhalb der Russenmafia wohlgemerkt – als Drogen- und Menschenhändler betätigt. Dafür war der Umstand, dass wir die erste Großstadt nach der tschechischen Grenze sind, wohl ebenfalls von Bedeutung.«
»Wie lange tat er das denn schon?«
»Soweit wir vermuten, erst seit ein paar Jahren. Wahrscheinlich hat er sich bis
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