Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
sein muss können wir auch multiplizieren und dividieren …«
»Und Sinus und Cosinus berechnen«, warf der andere ein.
»Ja, ja«, sagte der Alte gedehnt, »und am Schluss bekommen wir ein Ergebnis, das stimmt, auch wenn wir es nicht beweisen können. Wie in der Mathematik, ich weiß, dass zwei und zwei vier ist, aber beweisen kann ich es nicht.«
»Wir hatten jetzt vierzehn Tage Zeit zu rechnen und sind zu folgendem Ergebnis gekommen«, der Jüngere drehte sich um und sah Nikolai in die Augen, »Drugajew war Mi tglied einer KGB-Truppe, die sich Wächter nannte. Seine Aufgabe war es, auf die Top-Spezialisten aufzupassen, die als V-Männe r gegen Dissidenten eingesetzt wurden. Unser Opfer von 1985 war so ein Spezialist, doch offensichtlich hatte er es sich mit dem KGB oder mit Drugajew persönlich verscherzt. Auf jeden Fall ist er geflohen und Drugajew hat ihn verfolgt, bis hierher. Siebzehn Jahre später wird Drugajew ebenfalls hier auf dieselbe Weise ermordet. Sie haben diesen Mann gerächt«, er hielt das Foto von Tewgenji hoch, »Sie kannten ihn also sehr gut. Er war Ihr Freund, vielleicht Ihr Bruder oder Ihr Kriegskamerad, wir wissen es nicht.«
Nikolai sagte nichts.
»Wissen Sie«, fuhr der Polizist fort, »eigentlich geht es mir nicht so sehr darum, dass Sie diesen Mord gestehen. Es geht mir hauptsächlich um den Fall von vor siebzehn Jahren. Hier«, er ging ein paar Schritte zu einem leeren Platz zwischen zwei Kreuzen, »hier befinden sich seine sterblichen Überreste und irgendwo in Russland wartet seit siebzehn Jahren eine Familie auf Gewissheit. Vielleicht leben seine Eltern noch, vielleicht hat er Geschwister oder sogar Kinder, und ich möchte vor allem eins: dass diese Menschen ihren Angehörigen zurückbekommen und ordnungsgemäß begraben können, mitsamt seinem Namen und seinem Geburtsdatum, einem Gottesdienst, einer Totenfeier und was sonst noch alles dazugehört. Wenn Sie diesen Mann also gekannt haben, sagen Sie uns seinen Namen und wir kümmern uns um den Rest!«
Die beiden Polizisten ließen ihn vor zwei Quadratmetern Gras, Löwenzahn und Gänseblümchen stehen und setzten sich auf eine Bank, wo sie sich eine Pfeife und eine Zigarette anzündeten.
»Ich möchte mit meiner Frau sprechen«, sagte Nikolai, als er zehn Minuten später zu ihnen kam.
XIII. ABKÜHLUNG
»Habe ich Ihr Wort, dass alles, was wir hier sprechen, unter uns bleibt?«, fragte Valentina.
»Frau Kashevska«, Renan schüttelte den Kopf, »das kommt darauf an, was Sie mir erzählen. Aber natürlich können Sie später wieder alles abstreiten, wir sind nur zu zweit und wie Sie sehen, bin ich nicht verkabelt«, sie zog an ihrem dünnen T-Shirt, das beim besten Willen kein Mikrofon samt Drähten verborgen hätte.
»Na schön«, Valentina sah sich um, »ich werde hypothetisch sprechen.«
»Gut«, sagte Renan. Sie befanden sich in der Rosenau unweit des Präsidiums. Große alte Bäume spendeten angenehmen Schatten. Die Russin hatte vor einer Stunde angerufen und ausdrücklich um ein Treffen mit Renan gebeten, an einem neutralen Ort.
»Nehmen wir an, mein Mann hätte eine große Dummheit begangen«, sie setzte sich auf eine Bank in den Schatten einer Eiche, »und diesen Mord tatsächlich verübt.«
»Nehmen wir es an«, sagte Renan und setzte sich ebenfalls.
»Könnten Sie es ihm jemals nachweisen, wenn er weiterhin nicht mit Ihnen redet?«
»Gute Frage«, Renan sah Valentina misstrauisch in die Augen, »ich würde mich an seiner Stelle nicht darauf verlassen, dass die russischen Behörden ewig dichthalten.«
»Was heißt das?«, Valentina schlug die Beine übereinander und stützte sich mit dem Ellbogen in Renans Richtung auf die Rücklehne.
»Wir haben verschiedene Kanäle«, Renan entledigte sich ihrer Stoffschuhe, »auch informelle. Dieser alte Kollege von meinem Kollegen kennt da was weiß ich wen … Wir vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen diesem Mord und einem von vor siebzehn Jahren gibt.«
»Ja, das haben Sie schon einmal erwähnt.«
»Genau. Noch haben wir keine Ahnung, wer der Tote von 1985 war, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir zumindest seinen Namen herauskriegen. Dann werden wir zusammen mit den Kollegen in Russland nach Verbindungen zwischen Ihrem Mann und den zwei anderen suchen. Wir sind uns sicher, dass alle drei beim KGB waren.«
»Tatsächlich«, Valentina nahm eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Handtasche und zündete sich eine an.
»Hm«, Renan zog das rechte Bein an und
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