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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Muenster
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erlebt das andere Leben in dem seinen.“ In Anerkennung des Lebenswillens und Lebensrechtesanderer gelangen wir zu dieser „Schöpfungs-Empathie“, zu einem tiefen Mitfühlen mit anderem Leben.
    Die ethischen Konsequenzen des Schweitzerschen Denkansatzes sind klar: Als gut gilt dem denkend gewordenen Menschen: „Leben erhalten, Leben fördern, entwickelbares Leben auf seinen höchsten Stand bringen; als böse: Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten. Dies ist das denknotwendige, absolute Grundprinzip des Sittlichen“. Dieses „Grundprinzip des Sittlichen“ ist eine brauchbare, fassbare Richtlinie und Handlungsorientierung. Wo ich Leben erhalte, fördere, entwickle, handle ich gut; wo ich Leben schädige, niedrig halte, gar zerstöre, handle ich böse. Dass Schweitzer seine Ethik in allgemeinverständlicher Sprache geschrieben hat, ist ein großes Verdienst. Was nützte eine Ethik, die nur einem erlesenen Kreis von Fachphilosophen zugänglich wäre und so ihre breite Wirkung in den Herzen der Menschen verfehlt?
    Schweitzer hat meines Wissen erstmals einen ethischen Entwurf vorgelegt, der sich nicht auf das Miteinander der Menschen beschränkte, sondern der ausdrücklich alles Lebendige einbezog. Damit ist Schweitzer zum Vordenker all jener geworden, die inzwischen erkannt haben, wie dringend notwendig eine umfassende Schöpfungsethik geworden ist. Schweitzer selbst schrieb in diesem Zusammenhang: „Der große Fehler aller bisherigen Ethik ist, dass sie es nur mit dem Verhalten des Menschen zum Menschen zu tun zu haben glaubte. In Wirklichkeitaber handelt es sich darum, wie er sich zur Welt und allem Leben, das in seinen Bereich tritt, verhält. Ethisch ist er nur, wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie des Menschen heilig ist und er sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt. Nur die universelle Ethik des Erlebens der ins Grenzenlose erweiterten Verantwortung gegen alles, was lebt, lässt sich im Denken begründen. Die Ethik des Verhaltens von Mensch zu Mensch ist nicht etwas für sich, sondern nur ein Besonderes, das sich aus jenem Allgemeinen ergibt. Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben begreift also alles in sich, was als Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben bezeichnet werden kann.“

D IE M AHNUNG ZUM F RIEDEN
    Schweitzers große Sorge um die Erhaltung des Friedens, sein bewundernswerter und in bereits fortgeschrittenem Alter strapaziöser Einsatz gegen die atomare Rüstung ergibt sich eigentlich folgerichtig aus seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben.
    Das Problem des Friedens hat Schweitzer schon früh beschäftigt. Bereits in einer Predigt vom 20. Mai 1900 in St. Nicolai in Straßburg über die Seligpreisung in Matthäus 5,9 („Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“) führte er aus: „Wenn uns etwastraurig stimmt, so ist es, zu sehen, wie auf der Welt vom Großen bis ins Kleine Krieg und Unfriede herrscht. Politisch – Stadt – Familien etc. Und wenn wir nun dies betrachten, da klingt in unsere trüben Gedanken das herrliche Wort: Selig sind die Friedfertigen, als könnte es die Menschen aus allem Kampf und Streit zurückrufen.“ Hier spricht Schweitzer zwei Dimensionen des Friedens an: den äußerlichen Frieden zwischen Staaten, Völkern, Städten, Familien, also zwischen großen und kleinen Gemeinschaften; daneben das, was er den Frieden in den kleinsten Dingen nennt, der notwendig ist, „um unser Heim zu einem friedlichen zu machen“. Auf diesen Frieden in den kleinsten Dingen konzentriert sich die Botschaft seiner Predigt.
    Den äußeren Frieden im Großen herzustellen und zu wahren, etwa den Zustand zwischen Völkern, zwischen verschiedenen Gruppierungen zu stabilisieren, das ist Aufgabe der Politik oder der Gerichtsbarkeit. Hier – so meint Schweitzer – kann der einzelne Privatmensch nur geringen Einfluss nehmen: „Wir sind wie Tropfen im Meer und können nichts machen.“ Er betrachtet es sogar für sich selbst als Erleichterung, „dass Gott mich nicht an einen Platz gestellt hat, wo ich in die Lage kommen kann, über Krieg oder Frieden von Millionen Menschen zu entscheiden“. Aber der Friede in den kleinsten Dingen, jenen Dingen, die uns Tag für Tag angehen und die in unseren ganz persönlichen Zuständigkeitsbereich fallen, bedarf deshalb unserer ganzen Aufmerksamkeit.Denn hier, in den kleinsten Dingen, fängt alles an (letztlich auch der Frieden in großem Maßstab).

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