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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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würde); und Seniorchefs bandeln nun mal nicht mit dem Büropersonal an und leben schon gar nicht mit einer von ihnen zusammen. Wahrscheinlich gibt es noch mehr Gründe, aber reicht das für den Anfang?«
    »Das ist reichlich, danke. Meine Devise ist: Wenn dir etwas unklar ist, frage; aber sei nicht beleidigt, wenn du keine Antwort bekommst. Und wenn dich einer k. o. geschlagen hat, sieh zu, daß du wieder auf die Beine kommst.«

    »Offenbar eine gute Devise. Inzwischen mal zurück zur Farm; konnte Ihnen irgend jemand einen Hinweis geben?«
    »Man könnte es einen mageren Hinweis nennen, über den ich aber im Moment nicht sprechen möchte, wenn es Ihnen recht ist.
    Was passiert mit dem Geld, falls sich herausstellen sollte, daß Alberta tot ist?«
    »Sinjins Geld? Es fällt an George.«
    »Nach ihren Briefen war Alberta einverstanden, das Geld mit George zu teilen.«
    »Das stimmt. Damals, als Sinjin Alberta sehen wollte und Toby sie nicht finden konnte, hat all dies begonnen.«
    »Und Sie sind hingegangen und haben sich um einen Job in der Kanzlei beworben; ursprünglich sind Sie zu dieser Kanzlei gegangen, um mit Toby zu sprechen – wegen Ihres Interesses an Charlotte Stanton.«
    »Stimmt auch. Ich hatte schon lange vor, ihre Biographie zu schreiben. Es war gar nicht so schwierig, herauszufinden, wo sie ihr Testament gemacht hatte, oder Kontakt zu Sinjin aufzunehmen.
    Anschließend Toby aufzuspüren, war doch nur naheliegend. Vermu-ten Sie eine finstere Verschwörung?«
    »Nicht im geringsten; ich bin nur dabei, wieder einmal meinen alternden Verstand zu testen. Konnten Sie viel Schriftliches über die Stanton finden, von Collegeleuten oder sonst jemandem?«
    »Nichts von besonderer Bedeutung, abgesehen von den Biographien. Mit dieser ganzen neuen Datenverarbeitung, dem On-Line-Retrieval-System und wer weiß was noch, kann man sich ein recht gründliches Bild von dem machen, was geschrieben wurde; abgesehen von dem gelegentlichen kleinen Artikel, der vielleicht in irgendeiner obskuren Zeitschrift stand. Man kann auch abfragen, wie oft ihr Name in den größeren Zeitungen erwähnt wurde, wann und wo. Kein Wunder, daß sich die meisten Wissenschaftler heutzutage mit Theorie befassen, Forschung ist nicht mehr wie früher vor allem eine interessante Wühlarbeit. Die größere Herausforderung ist heute die Auslegung, und die liegt noch immer jenseits der Fähigkeiten eines Computers.«
    »Wie interpretieren Sie ihr Leben, falls Sie glauben, mir das anvertrauen zu können? Ich verspreche, daß ich nichts ›stehlen‹ werde, um selbst ein Buch zu schreiben oder sonst etwas, das auch nur im entferntesten mit Charlotte Stanton zu tun hat.«
    »Ein Teil ist ohnehin bekannt; sie war eine gründliche Lehrerin, eine Linguistin, ja sogar Philologin. Während ihrer Zeit als Rektorin legte sie Wert auf ein besonders hohes Niveau in allem, vom gesellschaftlichen Benehmen bis zu schulischen Dingen, und ihr Auftreten war ganz gewiß zumindest streng. Und dennoch hat sie diese leiden-schaftlichen Geschichten über Athen geschrieben, die die Leute so gierig verschlungen haben, und in denen es immer um Männer geht, die einander liebten und ein ehrenwertes männliches Leben führten.
    Es gibt eine Theorie, die besagt, daß ihre Romane die Grundlage ihrer Leidenschaft für die Philologie bildeten, aber ich glaube das einfach nicht. Man schreibt Romane, weil man es will, welche anderen Gründe es auch sonst noch geben mag.«
    »Was war mit ihrem Liebesleben?«
    »Das ist die Frage. Die Stanton war ungewöhnlich für ihre Zeit, wenn auch vielleicht nicht für ihre Umgebung, weil sie sehr enge Freundinnen hatte. Natürlich gab es ewig das Gerücht, sie sei lesbisch; das aber nur, weil sie sich sorglos kleidete, unvorteilhaft frisiert war und dick wurde. Da ist die weitverbreitete Meinung – und die hat es, glaube ich, immer gegeben –, daß Frauen, die kein Interesse daran haben, anziehend auf Männer zu wirken, wahrscheinlich lesbisch sind; als ob die meisten Lesbierinnen, mit denen ich befreundet bin, nicht todschick angezogen wären. Frauen wie die Stanton interessieren sich zum einen einfach nicht für Kleider, und zum anderen verbringen sie in ihrem Berufsleben, wenn sie Intellektuelle sind und dem akademischen Lehrkörper angehören, ohnehin die meiste Zeit mit Männern. Die meisten Dozenten, denen ich in Oxford begegnet bin, sind in jedem Fall sehr viel mehr an einem Gespräch mit einer Frau wie Charlotte Stanton interessiert,

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