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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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gewesen, um sogleich zu handeln, Jörg bei der Hand zu nehmen und wegzufahren und mich allein bei Wind und Regen durch das Geisinger Hart stolpern zu lassen. Sie war zornig. Vielleicht, überlegte ich jetzt, aber auch vorsichtig genug, meinen Fragen auszuweichen, die sich aus dieser Bemerkung ergeben mussten und die ich auf der Rückfahrt gestellt hätte. Nicht zwei zu eins, drei zu null für Franziska.
    Die Tante wollte Schaden verhüten – ein zweiter Mord, hatte sie gesagt.
    Und ich? Ich konnte die Spreu vom Weizen nicht unterscheiden. Das Mädchen war schlauer als ich. Was hatte sie mir voraus?
    Wer war sie eigentlich? Ich hatte meine Weisheit von Anton Fendler. Einzelkind, aufgewachsen in Trochtelfingen, Grundschule in Trochtelfingen, Realschule in Zwiefalten, Übergang ins Gymnasium und Abitur in Reutlingen mit erstklassigen Noten. Fremdsprachen Englisch und Spanisch. Und ein solches Mädchen wollte Hausfrau werden in einem Dorf wie Tigerfeld mitten auf der Alb?
    Ihr Ziel war klar: zusammen mit Jörg einen großen Betrieb, einen mechatronischen Mittelpunkt der Schwäbischen Alb, aufbauen. Aber Jörg wäre in einem solchen Betrieb nur Handlanger, Verwaltung und Verhandlungen wären ihre Sache. Dass Franziska jemals einen Traktor durch das Dorf fahren würde, hielt ich für ausgeschlossen.
    Jedes Mittel war ihr recht, um ihr Ziel zu erreichen. Natürlich nicht Mord. Aber Bestechung oder Erpressung eines Wissenschaftlers der Windströmung schon.
    Draußen ging der erste Graupelschauer nieder in diesem Herbst und prasselte auf die Fensterscheiben. Es würde noch kälter werden, aber auch klarer, die kristallene Luft hinter der Front, Sonnenschein.
    Bei meinem Bericht für Dr. Hagenbach achtete ich sorgfältig darauf, mich an jede auch noch so geringe Kleinigkeit zu erinnern. Wie sagen die Kommissare in den Krimis? Auch das Geringste kann von größter Bedeutung sein. Die Tante hatte nach Ansicht von Franziska zu viel gesagt. Welche Information war es gewesen? Die entscheidende, die wichtigste?
    Franziska hatte mich im Regen stehen lassen. Dr. Hagenbach schwieg betreten, als ich zu Ende war. Das Mädchen war einfach fortgefahren!
    »Nicht mehr auf Sie gewartet? Und Sie sind wirklich durch den Wald nach Hause gegangen mitten in der Nacht und so weit?«
    Und ganz alleine, hätte er noch sagen müssen. Aber sein Entsetzen über das Mädchen war echt. Offenbar hatte sein helles Bild von der anmutigen und hübschen jungen Frau einige trübe Stellen bekommen, die sich nicht so einfach polieren ließen wie seine Brillengläser.
    »Franziska.« Seine Stirn zerfurchte sich. »Wann genau hat sie denn das Gespräch abgebrochen?«
    »Das ist das Wichtigste.« Ich überlegte lange und gründlich.
    »Wie hat Franziska denn das Gespräch abgebrochen? Ich meine, mit welchen Worten?«
    Das wusste ich plötzlich, ich hörte ihre Stimme.
    »Sie sagte mitten im Gespräch: ›Vielen Dank, Tante Helene, das war sehr nett von dir. Aber wir müssen nun leider gehen. Der Wecker schellt in aller Frühe.‹ Oder ganz ähnlich.«
    Dr. Hagenbach hatte nun rote Backen bekommen. Er verwandelte sich vor meinen Augen endgültig zum Detektiv.
    »Dann«, bohrte er weiter, »dann kommt es jetzt ganz genau darauf an, was gesagt wurde, unmittelbar bevor die Stimmung der jungen Dame umgeschlagen ist. Was hat diese Frau Strauß gesagt? Können Sie sich erinnern?«
    Ich hörte die Stimme Franziskas, zornig, aufgebracht, unbeherrscht. Fast kreischend. Aber die Stimme der Tante hörte ich nicht, es gelang mir nicht.
    »Ich weiß nicht, ich erinnere mich einfach nicht. Ich sehe nur ganz deutlich: Mitten im Satz der Tante veränderte sich Franziskas Gesicht. Hatte sie dabei mit dem Fuß gestampft? Jedenfalls sagte sie etwas Zorniges und ging aus der Türe. Ich verabschiedete mich von Frau Strauß. Sie lud mich ein wiederzukommen. Alles ganz normal, dann hörte ich draußen den Motor anspringen und sah nur noch die Schlusslichter.«
    »Sagte Frau Strauß noch etwas zu Ihnen?«
    »Sie habe Vertrauen zu mir, sagte sie. Nein, das hatte sie schon vorher gesagt. Ich weiß nicht sicher.«
    »Das klingt ein wenig so, als hätte sie schon alles gesagt, muss aber nicht so sein.« Er schloss die Augen. »Oder war dies der Satz, auf den hin Franziska wütend wurde?«
    »Nein, sicher nicht. Doch, da war noch etwas.« Jetzt erinnerte ich mich. »Ich fragte sie, warum sie das mit den Schuhen in der Kiesgrube damals nicht gleich der Polizei gemeldet hätte, sondern erst

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