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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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sind miteinander verwandt oder verschwägert, manchmal noch ein zweites Mal verschwägert.«
    Innerhalb dieser Familien mussten die Morde geschehen sein. Wir sahen es staunend.
    »Opfer Riegeler«, zählte Dr. Hagenbach auf, »Opfer Pocherd, miteinander verschwägert, wie ich sehe.«
    Opfer Riegeler. So hätte ich Amelie niemals nennen können. Ich erschrak, wie nüchtern sich das anhörte: Opfer Riegeler.
    Auch Karl Pocherd, mein Rivale: Mit Amelie verschwägert, nur verschwägert. Sie war seine – um irgendwelche Ecken, ganz unwichtig! War das der Grund, dass sie mich dem jungen Mann vorgezogen hatte? Unsinn!
    Dr. Hagenbach riss mich aus den Gedanken. »Wie auch immer, Tante Helene Strauß hat recht: Zwei Morde in einer Familie!«
    »Und der oder die Täter, auch verwandt?«, fragte ich seltsam erregt.
    »Dazu müssten wir die Täter kennen. Die beiden Herren Hauptkommissare haben sie in ihrer Grafik leider nicht berücksichtigt.« Dr. Hagenbach blinzelte unter seiner Brille wie ein Hund, der in eine grelle Lampe blickt.
    Helene Strauß und Franziska Fischer, überlegte ich plötzlich, kennen sie nur wichtige Indizien oder möglicherweise sogar die Täter?

Am nächsten Morgen war an meinen Wagen mit roter Farbe gesprüht: »Haut ab!«
    Zunächst las ich eigenartigerweise die ungelenken Buchstaben einen winzigen Moment lang nicht als »verschwindet«, sondern als Drohung, dass uns die Haut abgezogen würde: »Haut ab.«
    »Tatsächlich«, kommentierte Dr. Hagenbach, dessen Wagen denselben Schriftzug offenbar von derselben Hand trug, »Haut abziehen! Ist diese Doppelwirkung beabsichtigt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sicher, der Täter oder wer diese Botschaft auch immer gesprüht hat«, redete Dr. Hagenbach weiter, »verfügt über keine solche sprachliche Raffinesse, die mit Ambivalenzen spielen kann.«
    Sieh da, dachte ich und musste schmunzeln, Herr Dr. Hagenbach hatte wohl eine Eins in Deutsch.
    Es war eine Warnung. Darüber waren wir uns einig. Aber von wem? Vom Täter? Von Anhängern des Windrads? Von Gegnern? Von den Jugendlichen, die in der Kiesgrube ihre nächtlichen Exzesse trieben?
    Die Befragungen der beiden Kommissare zeigten jedenfalls Wirkung. Sie hatten uns gewarnt. Dennoch, man durfte jetzt auf keinen Fall die Nerven verlieren. Dringend sollte man sich aber weiter um diesen Kettenacker-Jungen namens Baltes Sauler kümmern.
    »Um die Kiesgrube überhaupt«, schlug ich vor, »wir sollten einem solchen nächtlichen Exzess auf den Grund gehen, und zwar bei Nacht.«
    Wir einigten uns rasch, dass niemand allein nächtliche Exzesse veranstaltete. Es mussten also mindestens zwei Jungen sein. Mädchen schlossen wir irgendwie aus.
    Es war uns klar, dass wir Geduld aufbringen mussten. Die Jungen würden uns nicht gleich beim ersten Mal über den Weg laufen.
    »Am ehesten freitags oder samstags«, schlug ich vor.
    Nach zwei Tagen war es so weit. Natürlich durften wir auf keinen Fall mit dem Auto ins Annaleu fahren und es dort stehen lassen.
    »Wir müssen vom Geisinger Hart aus hin.« Ich kannte mich ja aus.
    Aber Dr. Hagenbach, der sich offenbar recht gründlich umgesehen hatte in Tigerfeld, wusste einen einfacheren Weg. »Wir brauchen uns nur bei den Bäumen der Neuen Hüle im Wagen auf die Lauer setzen und warten, bis die Kerle den Hauler Weg hinunterfahren, und ihnen dann irgendwie folgen, vielleicht mit einem Umweg über das Hart.«
    »Und wenn sie von Kettenacker her über das Geisinger Hart kommen?«, wandte ich ein.
    Ich hatte einen besseren Vorschlag: Mit meinem Onkel war ich oft im Winkel auf dem Anstand gesessen. Ich war sogar dabei, als er dort einmal einen Rehbock mit drei Stangen schoss, eine Rarität.
    Mein Onkel war Jagdaufseher. Sein Jagdherr, ein gutmütiger Fabrikant aus dem Unterland, schoss nie die besten Böcke. Die schoss immer mein Onkel zum Ende der Jagdsaison, nachdem der Jagdherr einen Sommer lang von meinem Onkel auf Hochsitze eingewiesen worden war, bei denen seltsamerweise nie die kapitalsten Böcke aus dem Wald traten.
    Die Hochsitze meines Onkels waren natürlich längst vermodert. Aber der Winkel war ein so ergiebiges Revier für die Bockjagd, dass es dort neue geben musste. Man hatte von dort oben einen wunderbar friedlichen Blick auf das von Wäldern gerahmte Dorf und übersah den ganzen Hauler Weg vom Ort bis zur Kiesgrube und weiter bis zum Geisinger Hart.
    Gegen Abend stellten wir den Wagen auf einem Waldweg im Winkel ab und stiegen auf den modernen Hochsitz, den wir

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