Albspargel
Sie schwieg und schaute mich an. »Woisch«, fuhr sie dann fort, »seine Gschiichta haont mr nia gfalla.«
[Übersetzung auf Seite 246 ]
Ich kannte Fritz als Frauenheld, und auch bei der Leich war von Weibergeschichten geredet worden. Eigentlich suchte ich nach einer Erklärung für die Veränderungen seiner Frau.
»Ist es wegen der Marta, dass du den Fritz nicht hast leiden können? Sie hat sich sehr verändert in den letzten zwanzig Jahren, die Marta. Wegen anderen Weibern?«
»Ach noi, dui war des doch gwehnt, wa witt macha. ’s isch jo viele Johr ao guatganga. Freile hot se halt emmr wieder an Aug zuadrucka miassa. Wia d’ Mannsleit halt send.«
Es zeigte sich als überraschende Erklärung für ihr Fernbleiben, dass die alte Mechthild kurioserweise eifersüchtig war – nicht auf Fritz Pocherd, nein, auf seine Weiber! Sie empfand sie bis heute als Konkurrenz.
»Wär i domols no jenger gwä ond no koi so nan alta Ripp – i ben an aseahnlichs Mädle gwä zo meira Zeit, sell kane schao saga vo mir.«
Einen winzigen Augenblick lang glaubte ich in ihren Augen etwas von einer längst vergangenen Schönheit aufblitzen zu sehen.
»Wer waren denn die Glücklichen, mit denen er Geschichten hatte?«, fragte ich weiter, ohne mir dabei viel zu denken.
Sie zögerte erst, aber sie war nun schon im Schwätzen drin. »’s goht di zwar nex a. Aber dia, mit deane er am moischte ghet hot ond johrelang – älle boide: Do wär d’ Strauß Helene en Geisenga schao vor ieber faifazwanzg Johr, kan ao no lenger her sei, obwohl dui am Afang verheirat gwä isch ond afangs no en Sigmarenga gwohnt hot – se isch halt uff Geisenga komme zom Vettr, abr bloß as an Ausred. A schena Frau, do will em nex dao, isch abr schao auf d vierzga ganga. Ond do war d’ Muater vom Egle Hans z’ Pfraostetta vor bald dreißig Johr. I will abr nex gsait hao. I sag’s bloß dir, ond morom i’s sag, woiß i eigentlich et.«
Mit diesen Aussagen wurde Mechthild das Orakel von Tigerfeld oder noch besser die Sibylle von der Alb.
Sie legte aber noch zu: »Ond frog doch amol, wer dr Vater isch vom Egle Hans. Der woiß des aber et. Net amol sei Vater woiß des. Ond sag deane jo nex. D’ Wohrat tuat et emmr guat.« Sie hatte sich heißgeredet und hielt die schrundigen und blauadrigen Kinderhände geballt wie im Zorn.
»Da löst sich ja Rätsel um Rätsel, tolle Frau, diese Mechthild.«
Ich mochte meinem Kollegen nicht widersprechen. »Wir haben jetzt Antwort auf viele Fragen. Aber wie immer: Jede Antwort gebiert neue Fragen.«
»Es war zweimal die Oma von Hans Egle, die wichtige Dinge vertuscht hat«, sagte mein Nachfolger begeistert, »sie kennt den Täter – meldet ihn aber nicht der Polizei.«
»Ja, und mich lässt sie fast vom ganzen Dorf durch den Fleischwolf drehen, obwohl sie mich einwandfrei hätte entlasten können.«
»Die Schuhe von Frau Riegeler werden ihr gebracht von einem gestörten Waldschrat, bei dem sie sich darauf verlassen kann, dass er das Maul hält – und sie wirft sie in die Kiesgrube.«
»Oder jemand anderes«, warf ich ein, »sonst hätte man sie wahrscheinlich nie mehr gefunden.«
»Die Schuhe werden in der Kiesgrube gefunden. Jemand identifiziert sie als die Schuhe Amelies, und auch das meldet niemand der Polizei.«
»Frau Egle will also den Geliebten der Schwiegertochter nicht verraten«, sagte ich zögernd, »und auch nicht den Tatort Eiskeller, wie wir ja wissen.«
»Den Geliebten der Schwiegertochter nicht verraten? Ist das glaubhaft?«, überlegte Dr. Hagenbach.
»Die macht das bestimmt nicht wegen der Schwiegertochter, aber da ist halt die liebe Familie und das Dorf«, spottete später Steinhilber.
War Fritz nun doch der Mörder Amelies?
Frau Strauß und Mutter Egle waren Geliebte des Fritz Pocherd gewesen. Vielleicht gleichzeitig, vielleicht einige Jahre auseinander, das war nicht wichtig. Wichtig war, dass Hans Egle nicht der Sohn seines Vaters war, wie dieser und er meinten. Seine Mutter, Pocherds zweite Geliebte, lebte seit einigen Jahren nicht mehr.
»Alles klar!«, rief Dr. Hagenbach mit Jubel in der Stimme, »Vater Egle findet in diesem Sommer heraus, dass er ein Kuckuckskind aufgezogen hat, und bringt nun den alten Casanova um, der ihm Hörner aufgesetzt hat.«
»Die Frau ist tot, die ihn betrogen hat«, gab ich zu bedenken, »die Sache liegt fast dreißig Jahre zurück. Freilich, denkbar ist alles. Und was ist mit dem Mord an Amelie? Mit dem damals verschwiegenen Täter? Und mit den
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