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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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war – mausetot.
    »Mein erster Schuss auf ein Wild. Keine Nachsuche, kein Hund nötig, sauberer Schuss mitten aufs Blatt, mitten im Lauf«, tönte er.
    Schulterklopfen, Waidmannsheil-Wünsche.
    Dann trat er aus der Gruppe und erblickte mich unter den Treibern.
    »Hallo, Felix, was machst denn du bei den Treibern? Kauf dir lieber eine rechte Büchse und dann halali!«
    Was sollte ich sagen? »Waidmannsheil.«
    Der Jagdherr reichte ihm den mit dem Schweiß, dem Blut des Tieres, benetzten Bruch und überließ ihm großzügig das Wildbret: »Der beste Schuss heute – ein guter Braten. Das ist es wert.«
    »Überläufer sind das beste Wildbret überhaupt«, meinte ein Jagdgast, »phänomenaler Schuss, muss ich schon sagen, habe mir die Stelle genau angesehen. Fast neidisch. Alle Achtung!«
    »Der pflügt keinen Kartoffelacker mehr um«, lachte Fritz breit und wandte sich an mich: »Nimm du ihn, den jungen Keiler. Stimmt schon, die Überläufer schmecken am besten.«
    Ich starrte ihn an: Sein erstes Wildbret!
    »Guten Appetit«, lachte er.
    Er war der Beste und der Sieger, dazu brauchte er keinen Braten.
    Der Sarg wurde von Sargträgern, die meisten Verwandte von Fritz, das kurze Stück in den Kirchhof hinübergetragen.
    Marta Pocherd schritt allein neben Karl, ohne Träne, marmorhaft unbewegt. Ihnen folgten die Tochter Maja, ihr Mann und Pocherds Enkelkinder. Dann die weiteren Verwandten.
    Ungewöhnlich, dachte ich, dass der Sohn seine Mutter am Sarg ihres Mannes nicht stützt.
    Ich erkannte Marta Pocherd fast nicht mehr. Ihre Haltung war übertrieben straff, die Haare schlohweiß, ihr steinernes Gesicht das einer Greisin. Aus dem lebenslustigen, hübschen Mädchen von früher war eine vorzeitig gealterte Gräfin geworden, verstärkt noch durch das Schwarz der Kleidung. Dabei konnte sie noch kaum fünfzig sein.
    War es möglich, dass alle diese Veränderungen, diese ungewöhnlich frühe Alterung, ihre ganzen Wesensveränderungen – vor allem diese übergroße Strenge – erst in den paar Wochen seit dem Tod ihres Mannes entstanden waren?
    Oder war Fritz ein so schlechter Ehemann geworden? Denkbar war es. Vorstellen konnte ich es mir nur schwer. Man soll sich kein Urteil über eine Frau am Sarg ihres Mannes bilden.
    Den Verwandten folgte, wohl geschlossen, die schwarze Gruppe der Anleger, auch sie mit ernsten Mienen.
    Als der Sarg in den Kirchhof getragen wurde, geschah dies unter Blitzlichtgewitter, als liege im Sarg ein großer Star.
    Um mich herum vielfältigste Kommentare. Manche redeten über seinen Reichtum. Ein paar Fromme wussten, dass Gott gerecht ist und seine Strafe folglich auf Dinge im Leben des Fritz schließen ließ, »die wir alle nicht kennen.«
    Einer grinste und sagte: »Doch. Weibergeschichten.«
    Einer sprach vom Windrad und fügte hinzu: »Die neue Zeit. Die wollte er doch schon immer, der Fritz. Aber nun hat ein Stärkerer Halt gesagt.«
    Wer dieser Stärkere war, hätte ich ihn gerne gefragt, und warum er Halt sagen sollte.
    Auch über Karl wurde geredet, dass er in nicht einmal einer Woche zurück nach Amerika fliegen würde und seine alte Mutter, wie Marta genannt wurde, in ihrem Schmerz allein ließ. Es wurde auch kritisiert, dass er sich in der kurzen Zeit seines Aufenthalts einen Dreck um den Hof gekümmert habe.
    »Er ist halt ein richtiger Amerikaner geworden«, sagte einer.
    Andere redeten von Schwierigkeiten mit der Einbürgerung in den USA. Er habe aber eine Verlobte, die sei richtigeAmerikanerin; und das gehöre sich nicht, dass die nicht mitgekommen war. Einer wusste, dass sie Debbie hieß, worüber einige, trotz des Begräbnisses, grinsen mussten: Debbie! Sie hätte gerne einmal einen Blick auf sie geworfen, auf diese amerikanische Debbie, sagte eine Frau.
    Als der Sarg zum Kirchhof getragen wurde, der Pfarrer mit Ministranten und Weihrauch voranging, Frauen zu weinen anfingen, während die Totenglocke läutete, war ich selbst nahe am Weinen, was ich an mir an sich nicht kannte.
    Auf dem Weg zu meinem Wagen – ich hatte mich im feierlich schwarzen Anzug nicht auf das Klapprad setzen mögen – sah ich die alte Mechthild wieder auf ihrem zusammengefalteten Sack an ihrer Holzbeige beim Kronenwirt knien, trotz der großen Leich in der Nachbarschaft.
    »Haben sie den Fritz ohne dich zu Grabe tragen müssen?«, fragte ich verwundert.
    »Schao reacht«, gab sie zur Antwort, »i hao nen nia leida mega, da Fritz mit seine Weibergschiichta. Abr i hao näächt en Raosakranz fir en betat.«

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