Albtraum
den Mund!“ fuhr Kate sie an. „Sie lügen …“
„Ich wollte seinerzeit eine Abtreibung“, erklärte Julianna mit zitternder Stimme, „aber es war zu spät. Ich war anderthalb Wochen über die Zeit. Der Doktor zeigte mir Bilder von Babys im selben Entwicklungsstadium wie meines und schlug mir eine Adoption vor.“ Sie ging an Kate vorbei und sank auf die Couch. „Er erzählte mir von Citywide. Es schien die ideale Lösung zu sein.“
Kate sah ihre Tochter mit Tränen in den Augen an. Richard hatte mit Emmas leiblicher Mutter geschlafen. Der Gedanke war ihr unerträglich. „Wusste Richard davon?“ fragte sie mit brüchiger Stimme.
„Nein, ich habe es ihm nicht gesagt.“ Julianna betrachteteeinen Moment ihre Hände, ehe sie den Blick zu Kate hob. „Zuerst wollte ich Emma nur Citywide übergeben und dann verschwinden. Aber dann las ich Ihr Persönlichkeitsprofil, Ihres und Richards. Und da habe ich mich in ihn verliebt.“
Kate fragte ungläubig: „Sie haben sich wegen dem, was er geschrieben hat, in meinen Mann verliebt?“
„Ja.“ Julianna schlang die Arme um sich. „Er war wie der Mann meiner Träume. Aber ich habe mich auch in Sie verliebt, in Ihre Ehe, in Ihr Leben.“
„Also beschlossen Sie, uns beides zu stehlen. Anstatt sich ein eigenes Leben aufzubauen, haben Sie unseres zerstört.“
Julianna senkte einen Moment den Kopf, hob ihn wieder und straffte die Schultern. „Ich habe Ihnen Emma gegeben. Wie ich aus Ihren Akten wusste, haben Sie sich mehr als alles gewünscht, Mutter zu sein. Als Gegenleistung für Richard gab ich Ihnen Emma.“
Was sollte sie dieser jungen Frau antworten? Vielleicht danke? Julianna sah sie an, als müsste sie ihren Standpunkt nicht nur verstehen, sondern ihm auch zustimmen. „Wie haben Sie uns gefunden?“ fragte Kate stattdessen. „Ellen versicherte uns, dass alle Daten, die uns identifizieren könnten, nur mit unserer Zustimmung weitergegeben würden.“
„Ich habe Ihre Adresse aus einer Akte auf Ellens Schreibtisch. Sie weiß nichts davon.“
Mein Gott, ich hatte Recht, dachte Kate. Der Einbruch, das fehlende Foto, das Mädchen auf der Schaukel, all das ging auf das Konto von Emmas leiblicher Mutter.
„Also sind Sie uns gefolgt, haben sich an Richard herangemacht und ihn verführt.“
Julianna beugte sich vor und sagte ernst: „Er wollte Ihnen nicht untreu sein, Kate. So ein Mann war er nicht. Aber wirwaren füreinander bestimmt. Einer war des anderen Schicksal. Wir waren Seelenverwandte.“
Kate sah ihre Tochter an, die sich beruhigt hatte, und ihren Blick aus großen blauen Augen unschuldig erwiderte. Augen, die nur auf sie gerichtet waren, auf ihre Mutter. Kates Herz quoll über vor Liebe. Der Kummer der letzten Tage, ihr Zorn und der Schmerz über Richards Untreue, all das war in diesem Augenblick unwichtig.
„Gehen Sie bitte“, forderte sie Julianna auf. „Wenn Sie jetzt mit Rücksicht auf Emma gehen, rufe ich nicht die Polizei.“
„Das kann ich nicht. Ich muss Ihnen noch etwas erzählen, Kate!“ Juliannas eindringlicher Ton machte ihr Angst. „Da gibt es einen Mann. Er hat Richard umgebracht … und er will Emma umbringen.“
„Warum sagen Sie das?“ fuhr Kate sie erschrocken an. „Warum lassen Sie uns nicht einfach in Ruhe? Haben Sie uns nicht schon genug angetan?“
„Er ist Emmas Vater.“
Kate war fassungslos. Der Albtraum nahm kein Ende. Sie ließ sich in den nächsten Sessel fallen. Offenbar war diese Julianna schwer gestört. Die Geschichte klang so unwahrscheinlich, dass sie schon lächerlich wirkte. Und doch … irgendetwas daran war überzeugend. Und wenn sie nun doch stimmte, dann war Emma in höchster Gefahr. „Aber warum? Ich verstehe das nicht.“
„Wegen mir. Weil er verrückt ist, geradezu besessen.“
„Ich rufe die Polizei.“ Kate erhob sich.
„Nein!“ Julianna sprang auf. „Die Polizei kann Sie nicht vor ihm schützen. Er ist ein Profikiller. Töten bedeutet ihm nichts. Es ist ein Job für ihn, eine Lebensart.“
„Das ist doch unglaublich!“
„Sie müssen mir glauben! Die Polizei kann Ihnen nicht helfen. John wird einfach abwarten, bis man Sie nicht mehr bewacht. Oder er erwischt Sie, ohne dass die Polizei es merkt. Er gibt nicht auf. Emma ist für ihn ein Problem, das gelöst werden muss. Das hat er mir selbst gesagt.“
Kate ging an ihr vorbei und nahm das Telefon vom Boden auf. Julianna packte heftig ihren Arm. „Ich habe Bilder gesehen von Menschen mit durchschnittener Kehle. Meine
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