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Albtraum

Albtraum

Titel: Albtraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Spindler
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Balkone führten. Die vier weißen Weidenschaukelstühle auf jeder Terrasse, zwei an jeder Seite. Der tiefe Vorgarten mit alten Eichen voll spanischem Moos. Die Schaukel, die an dem riesigen Ast nahe des Eingangstores baumelte.
    Das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben, hierher zu gehören, befiel sie. Es war ihr bestimmt, hier zu leben, in dieser Gemeinde und in diesem Haus. Es sprach sie an, wie Richards Worte es getan hatten.
    Lächelnd legte sie den Kopf gegen die Sitzlehne und schloss die Augen. Eine Reihe von Bildern erschien in ihrer Fantasie. Sie sah sich in einem dünnen weißen Kleid auf der Schaukelschwingen und Richard anlachen, der ihr Schwung gab. Sie sah sich auf der Terrasse als Gastgeberin unter Freunden etwas Kaltes trinken.
    Sie sah sich auf dem oberen Balkon mit Richard in einer Liebesumarmung, und das Plätschern vom See mischte sich mit ihrem leisen Stöhnen.
    Sie liebte ihn heftig und leidenschaftlich, wie sie noch nie geliebt hatte, nicht einmal John. Schon gar nicht John.
    Fast hätte sie aufgelacht bei dem Gedanken, was andere von ihren Fantasien halten würden. Man würde sie für verrückt erklären. Ein albernes Mädchen, das lächerlich verknallt war. Aber es wusste ja niemand, was sie vorhatte.
    Bald würde sie mit Richard vereint sein, und er würde dankbar sein für ihre Verbindung.
    Ein Hupen und ein gerufener Gruß rissen sie aus ihrer Träumerei. Sie merkte, wie sonderbar es wirken musste, dass sie hier in ihrem Auto saß und das Haus der Ryans anstarrte. Sie sah sich um. An der Seeseite der Straße war ein Uferpark mit Bänken, einem Kinderspielplatz und, ein Stück entfernt, einer Laube.
    Im Park war einiges los. Paare spazierten Hand in Hand an der Sperrmauer entlang. Kinder spielten, beaufsichtigt von ihren miteinander schwatzenden Müttern. Teenager hockten lachend zusammen und teilten sich Zigaretten.
    Hier falle ich keinem auf.
    Julianna startete ihren Miata wieder, fuhr einen halben Block weiter und stellte den Wagen auf einem öffentlichen Parkplatz ab. Von dort ging sie zum Park zurück und setzte sich auf eine Bank mit ungehindertem Blick auf Richards Haus.
    Die Zeit verging, die Sonne sank, und der Park wurde leerer. Julianna zog den Mantelkragen enger zusammen. Hände und Ohren kribbelten bereits vor Kälte.
    Das Haus der Ryans lag noch im Dunkeln. Sie sah auf ihre Uhr. Fast sechs, und bis auf einen gelegentlichen Jogger war sie allein im Park. Was, wenn die Ryans nicht nach Hause kamen? Wenn sie zum Dinner aus waren oder gar nicht in der Stadt? Sie hatte so lange gewartet, sie musste sie einfach sehen.
    Ihr knurrte der Magen, und sie schlang die Arme um die Taille. Warum hatte sie bloß nichts zu essen und etwas Warmes zu trinken mitgenommen? Sie hatte nicht klar gedacht. Sie hatte an gar nichts gedacht außer daran, Richard zu finden.
    Sehnsüchtig blickte sie zu ihrem Wagen hinüber. Sie konnte sich am Kiosk in der Nähe ein Brötchen und eine heiße Schokolade holen. Das dauerte höchstens zehn, fünfzehn Minuten.
    Doch in der Zwischenzeit konnte sie die Ryans verpassen. Wenn sie wegfuhr und wieder herkam, erregte das möglicherweise Aufmerksamkeit. Nein, sie musste bleiben. Sie bezwang Hunger und Kälte und dachte mit geschlossenen Augen an Kate und Richard und schließlich an ihre Mutter und an John. Ob er sich auf die Suche nach ihr gemacht hatte? Sie fragte sich, wie er reagieren würde, falls er erfuhr, dass sie sich in einen anderen verliebt hatte. Würde er eifersüchtig sein, zornig gar? Vermutlich.
    Richtige Sorgen machte sie sich darüber jedoch nicht. Da sie alle Brücken nach zu Hause abgebrochen hatte, war sie fast sicher, dass John sie nicht fand.
    Und wenn doch? fragte sie sich schaudernd. Dann würde Richard ihn zum Teufel jagen. Als Anwalt wusste er, wie man Leute fing und bestrafte. Er würde dafür sorgen, dass John sie nie mehr belästigte.
    Im Haus der Ryans ging ein Licht an. Julianna straffte sich, ihr Herz pochte heftig. Eine Gestalt bewegte sich vor dem erleuchteten Fenster, dann ging ein weiteres Licht an.
    Das war Kate dort im Haus. Julianna stockte einen Moment der Atem. Sie konnte kaum glauben, dass sie nur eine kurze Strecke von ihr entfernt war.
    Während Julianna zusah, ging Kate von Raum zu Raum und schaltete die Lichter ein. Julianna stellte sich vor, wie sie dies und jenes berührte, den Anrufbeantworter abhörte, die tägliche Post durchsah und sich fragte, wo Richard blieb.
    Wir lieben beide denselben Mann.
    Der Gedanke

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