Albtraum
ich möchte nur einen Moment sitzen. Ein Glas Wasser oder … Saft? Wäre das möglich?“
„Natürlich.“ Ellen nickte und half ihr, sich wieder zu setzen. „Ich bin gleich wieder zurück. Rufen Sie, wenn Sie mich brauchen.“
Sobald Ellen aus der Tür war, sprang Julianna auf, schnappte sich den Ordner dann und blätterte ihn durch. „Ryan“, flüsterte sie und las die gesuchte Information. „Lakeshore Drive 361, in Mandeville.“
Sie wiederholte die Adresse im Stillen, prägte sie sich ein und legte den Ordner genau an seinen vorherigen Platz zurück.
Kaum hatte sie sich wieder in den Sessel gesetzt, als Ellen auch schon mit einem Glas Orangensaft zurückkehrte. „So, da wären wir.“
Ellen reichte ihr den Saft, blieb neben ihr stehen und passte auf, dass sie das Glas leer trank. „Wie fühlen Sie sich jetzt?“
„Besser.“ Julianna lächelte schwach und gab ihr das Glas zurück. „Viel besser. Danke.“
Ellen schien noch nicht überzeugt. „Haben Sie gegessen? Ich könnte Ihnen noch etwas Saft holen. Und ich glaube, Madeline hat hier irgendwo ein Päckchen Kekse. Ich könnte …“
„Es geht mir gut, wirklich.“ Da Ellen wieder etwas einwenden wollte, fügte Julianna hinzu: „Ich habe ein Sandwich mit Erdnussbutter gegessen und ein Glas Milch getrunken, ehe ich Busters Lokal verließ. Manchmal wird mir einfach ein bisschen schwindelig.“
„So was nennt man Schwangerschaft.“ Ellen lächelte, offensichtlicherleichtert. „Aber Sie müssen es in jedem Fall Dr. Samuel mitteilen.“
„Das werde ich.“ Julianna sah zu Boden und dachte an ihre Zukunft mit Richard. „Um Ihnen die Wahrheit zu sagen“, fuhr sie fort, „ich freue mich auf die Zeit, wenn ich nicht mehr schwanger bin.“
„Es dauert jetzt nicht mehr lange.“ Ellen legte ihr aufmunternd eine Hand auf die Schulter. „Darf ich Kate und Richard die frohe Botschaft schon mitteilen? Sie werden außer sich sein vor Begeisterung.“
„Nein, bitte noch nicht. Ich möchte eine Weile mit meiner Entscheidung leben.“ Sie verschränkte die Hände ineinander. „Und ich muss mich noch entscheiden, welche Art der Adoption ich wähle. Ich muss mir klar darüber werden, was für mich am besten ist. Verstehen Sie das?“
„Aber natürlich. Genau das möchten wir ja. Sie sollen sich alles gut überlegen. Das erspart uns später eine Menge Kummer und Verwirrung.“
„Nochmals danke, Ellen. Für alles.“ Julianna stand auf und schlüpfte in ihren Mantel. Sie hatte es jetzt eilig, wegzukommen und ihren nächsten Schritt zu überlegen. Was sollte sie mit der neuen Information anfangen? „Ich muss gehen.“
„Fühlen Sie sich wirklich wieder gut genug? Vielleicht sollten Sie noch ein wenig bleiben. Madeline muss jeden Moment zurückkommen und ich bin sicher …“
„Ich fühle mich jetzt wieder gut“, fiel Julianna ihr ins Wort. „Und ich möchte gern vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein.“
Ellen nickte und begleitete sie zur Tür. Dort umarmte sie sie kurz. „Meinen Glückwunsch zu Ihrer Entscheidung, Julianna. Das war eine ausgezeichnete Wahl.“
„Ja“, erwiderte sie leise, „das glaube ich auch. Jeder wird bekommen, was er haben möchte.“
„Julianna?“ Sie sah Ellen an. „Darf ich fragen, warum Sie sich für Kate und Richard entschieden haben?“
„Wie meinen Sie das?“
„Gab es etwas Besonderes, das Ihre Entscheidung beflügelte? Die beiden würden es sicher gern wissen.“
Julianna sah Ellen einen Moment an und lächelte. „Ich habe mich in sie verliebt. Falls sie fragen, sagen Sie ihnen das.“
14. KAPITEL
Julianna verlor keine Zeit. Gleich am nächsten Tag, nachdem sie Buster fröhlich ihre Kündigung mitgeteilt hatte, fuhr sie über den Damm nach Mandeville.
Sie wusste nicht, was sie sich von der Gemeinde am Nordufer erwartet hatte, aber sie fand sie wunderschön. Klein und scharmant, fast wie ein Kurort. Es gefiel ihr so sehr, dass sie sich darauf freute, hier zu leben.
Der Lakeshore Drive war mit Leichtigkeit zu finden, Kates und Richards Haus ebenso, obwohl sie einmal falsch abgebogen war.
Nachdem sie die richtige Hausnummer entdeckt hatte, hielt sie auf der anderen Straßenseite und sah ehrfürchtig hinüber. Ein so schönes altes Haus voller Geschichte wäre jeder Architekturzeitung würdig. Ob es wohl immer Richards Familie gehört hatte?
Ihr Blick wanderte über Haus und Grundstück, und sie nahm begierig jedes Detail in sich auf. Die raumhohen Glastüren, die auf Terrassen und
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